Archivverordnung
(vom 9. Dezember 1998) FN1
I. Allgemeines
Geltungsbereich
§ 1. Diese Verordnung regelt
a) die Aufbewahrung von Akten der öffentlichen Organe der kantonalen Verwaltung im Hinblick auf die Übernahme und Archivierung durch das Staatsarchiv,
b) die Organisation, die Aufgaben und die Rechte des Staatsarchivs.
Sie gilt sinngemäss für die öffentlichen Organe der Gemeinden, soweit diese keine eigenen Regelungen erlassen haben.
Begriffe
§ 2. Elektronische und andere Aufzeichnungen sind insbesondere digital und analog gespeicherte Informationen auf magnetischen, optischen oder anderweitigen Speichermedien.
Ergänzende Unterlagen sind insbesondere
a) Steuerungs- und Findmittel wie Verzeichnisse, Registraturpläne, Geschäftskontrollen, Karteien, Listen in jeglicher Aufzeichnungsform,
b) technische Hilfsmittel und Daten, die notwendig sind, um Informationen verständlich zu machen und zu nutzen.
Aktenablagen sind Einrichtungen der öffentlichen Organe, die der geordneten Aufbewahrung der Akten dienen, bevor sie einem Archiv mit Fachpersonal zur Übernahme angeboten werden.
Archive mit Fachpersonal
§ 3. Als Archive mit Fachpersonal gelten neben dem Staatsarchiv die Stadtarchive von Zürich und Winterthur sowie das Universitätsarchiv.
Ihnen stehen gegenüber den öffentlichen Organen in ihrem Zuständigkeitsbereich sinngemäss die Rechte des Staatsarchivs zu.
Schutzfristen
§ 4. Als Anlage gilt der Zeitpunkt, in dem die Akten geschlossen wurden.
Sind weder Todes- noch Geburtsdatum einer Person feststellbar, endet die Schutzfrist 80 Jahre nach der Anlage.
Wichtige Gründe für die Einsichtnahme in archivierte Akten mit Personendaten im Sinn von § 10 Abs. 2 des Archivgesetzes FN2 liegen vor, wenn
a) die Einsichtnahme im überwiegenden Interesse der betroffenen Person erfolgt oder diese zugestimmt hat oder ihre Zustimmung nach den Umständen vorausgesetzt werden kann,
b) die Akten für Gesetzgebung, Rechtsprechung, statistische oder wissenschaftliche Zwecke oder einen Entscheid über die Rechte betroffener Personen benötigt werden.
Das Archiv entscheidet über Gesuche um Einsichtnahme.
Übergang der datenschutzrechtlichen Verantwortung
§ 5. Mit der Übernahme von Akten wird das Staatsarchiv zum verantwortlichen Organ im Sinn des Datenschutzgesetzes. Die Aufbewahrung im Auftrag im Sinn von § 13 bleibt vorbehalten.
Archivwürdigkeit
§ 6. Akten sind archivwürdig, wenn sie voraussichtlich von dauerndem Wert sind für
a) die Dokumentierung der Organisation und der Tätigkeit des öffentlichen Organs,
b) die Sicherung berechtigter Interessen betroffener Personen oder Dritter,
c) das Verständnis der Gegenwart und der Geschichte,
d) die Gesetzgebung, die Verwaltungstätigkeit oder die Rechtsprechung,
e) die Wissenschaft und die Forschung.
Das Staatsarchiv bewertet nach Anhörung der öffentlichen Organe die Archivwürdigkeit der Akten. Es entscheidet abschliessend.
II. Grundsätze für die Aktenablage der öffentlichen Organe
Leitung
§ 7. Das öffentliche Organ bezeichnet eine für die Aktenablage verantwortliche Person.
Diese arbeitet mit dem Staatsarchiv zusammen.
Organisation
§ 8. Akten werden nach Möglichkeit im Original aufbewahrt.
Hilfsmittel, die für die Reproduzierung erforderlich sind, werden mitaufbewahrt.
Bei der Ablage wird darauf geachtet, dass
a) die Akten vollständig und verlässlich sind, so dass die Geschäftsvorgänge daraus jederzeit nachvollziehbar sind,
b) die Akten nach Verfahrensart, Sachgebiet, Eingangs-, Erledigungsdatum oder anderen geeigneten und eindeutigen Kriterien geordnet sind,
c) die eingesetzten technischen Hilfsmittel, insbesondere im Bereich der Büroautomation, mit den technischen Vorgaben des Kantons übereinstimmen,
d) alterungsbeständige Informationsträger sowie Beschreibstoffe und sonstige Hilfsmittel verwendet werden, die Gewähr für eine ausreichende Lebensdauer bieten.
Öffentliche Organe führen Registraturpläne und Verzeichnisse zum Zweck der Erschliessung ihrer Akten.
Räumliche Anforderungen
§ 9. Die Räume für Aktenablagen müssen abschliessbar sein und die Akten vor schädlichen Einwirkungen, insbesondere durch Feuer, Staub, Feuchtigkeit und Sonnenbestrahlung, schützen.
Anbietungspflicht
§ 10. Die öffentlichen Organe bieten ihre Akten dem Staatsarchiv an, sobald sie diese nicht mehr benötigen, in der Regel periodisch, spätestens aber 30 Jahre nach ihrer Anlage. In begründeten Fällen kann das Staatsarchiv mit den öffentlichen Organen längere Aufbewahrungsfristen vereinbaren.
Fällt eine öffentliche Aufgabe durch die Auflösung des Organs oder seine Überführung ins Zivilrecht dahin, bietet das Organ die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Akten dem Staatsarchiv an.
Die öffentlichen Organe sorgen für den Transport der Akten ins Staatsarchiv.
Das Staatsarchiv kann ein öffentliches Organ verpflichten, angebotene archivwürdige Akten weiter aufzubewahren, wenn sie aus Kapazitätsgründen nicht sofort übernommen werden können.
III. Staatsarchiv
1. Organisation und Aufgaben
Leitung
§ 11. Das Staatsarchiv ist ein Amt der Direktion der Justiz und des Innern und wird von der Staatsarchivarin oder dem Staatsarchivar geleitet.
Aufgaben
§ 12. Das Staatsarchiv hat die Aufgabe:
a) die archivwürdigen Akten auszuwählen, zu bewerten und zu verzeichnen,
b) die Bestände zu erhalten,
c) die Benützbarkeit der Bestände zu gewährleisten,
d) Forschungen zur Landes-, Orts- und Personengeschichte durch Beratung, durch Erarbeitung von Registern und Dokumentationen sowie durch Publikation von Quellen und Inventaren zu fördern und zu erleichtern,
e) seine Bestände durch Öffentlichkeitsarbeit bekanntzumachen,
f) die fachliche Aufsicht über die Archive auszuüben sowie die öffentlichen Organe in Fragen der Aktenablage zu beraten und zu unterstützen,
g) Aufzeichnungen und Überlieferungsgut privater Herkunft zu übernehmen, wo dies für die Ergänzung der Bestände und die zürcherische Geschichte von Bedeutung ist.
Aufbewahrung im Auftrag
§ 13. Das Staatsarchiv kann im Einvernehmen mit einem öffentlichen Organ Akten aufbewahren, für die noch keine Anbietungspflicht besteht und über deren Archivwürdigkeit noch nicht entschieden worden ist.
Bis zur Übernahme in das Archivgut des Staatsarchivs bleibt das öffentliche Organ für den Datenschutz verantwortlich. Dem Staatsarchiv ist nur eine Bearbeitung im Hinblick auf künftige Archivierung erlaubt.
Benützungsordnung
§ 14. Das Staatsarchiv erlässt eine Ordnung für die Benützung seiner Archivalien und Einrichtungen.
2. Rechte des Staatsarchivs
Weisungsrecht
§ 15. Das Staatsarchiv kann für die Anbietung und die Übernahme von Akten Weisungen erlassen.
Zugang zu den Aktenablagen
§ 16. Das Staatsarchiv hat zu den Aktenablagen der öffentlichen Organe Zugang, soweit es zur sachgerechten und rationellen Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist.
Es wird bei Projekten zur elektronischen Aktenverwaltung angehört.
Auslagerung
§ 17. Teilbestände des Staatsarchivs können aufgrund einer Vereinbarung bei einer anderen Stelle aufbewahrt werden, wenn die Erhaltung, die Benützbarkeit und der Schutz vor unbefugter Benützung gewährleistet wird. Die Aufsicht über die Archivierung und die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit verbleiben beim Staatsarchiv.
Belegexemplar
§ 18. Dem Staatsarchiv ist von Werken, die ganz oder teilweise auf der Benützung seiner Bestände beruhen, ein unentgeltliches Belegexemplar abzugeben.
Ältere Archivteile
§ 19. Als ältere Archivteile im Sinn von § 6 Abs. 2 des Archivgesetzes FN2 gelten die mehr als 50 Jahre alten Bestände.
Nach der Übernahme dieser Bestände verfügt das Staatsarchiv selbständig darüber.
3. Zugänglichkeit des Archivguts
Einsichtnahme
a) Allgemein
§ 20. Die Archivbestände des Staatsarchivs stehen der Öffentlichkeit nach Ablauf der Schutzfrist im Rahmen der Benützungsordnung grundsätzlich unentgeltlich zur Einsichtnahme zur Verfügung.
Teile von archivierten Akten können vom Staatsarchiv vor Ablauf der Schutzfrist öffentlich zugänglich gemacht werden, wenn dadurch keine schützenswerten öffentlichen und privaten Interessen beeinträchtigt werden und die Aufteilung nur geringen betrieblichen Aufwand erfordert.
Die Einsichtnahme geschieht unter Aufsicht. Das Staatsarchiv kann verlangen, dass sich die Benützerin oder der Benützer ausweist.
b) Einschränkung und Verweigerung
§ 21. Die Einsichtnahme kann eingeschränkt oder verweigert werden, wenn
a) schützenswerte öffentliche oder private Interessen entgegenstehen,
b) durch die Einsichtnahme ein unverhältnismässiger Verwaltungsaufwand entstehen würde,
c) der Zustand der Archivalien es erfordert,
d) die Vereinbarung mit den Deponenten von Archivalien privater Herkunft dies verlangt.
Wo es zum Schutz der Archivalien notwendig ist, können anstelle von Originalen Kopien zur Verfügung gestellt werden.
Ausleihe
§ 22. Ausleihe von Archivalien an Dritte ist in der Regel nur für Ausstellungen und unter den folgenden Voraussetzungen möglich:
a) der Zustand der Archivalien erlaubt die Ausleihe,
b) die Ausstellungsbedingungen entsprechen hinsichtlich Transport, Sicherheit und konservatorischen Verhältnissen den Archivierungsbedingungen,
c) die Urheberrechte an den Archivalien sind gewährleistet,
d) der Leihnehmer oder die Leihnehmerin trägt die Kosten für Sicherheitskopien,
e) die Ausleihe verursacht keinen unverhältnismässigen Aufwand.
Für die Ausleihe von Archivalien privater Herkunft gelten die bei der Übernahme getroffenen Vereinbarungen.
Nutzung zu gewerblichen Zwecken
§ 23. Die Nutzung von Archivalien zu gewerblichen Zwecken bedarf einer Bewilligung.
Die Bewilligung kann von einer vertraglichen Regelung des Nutzungsumfangs und einer Gewinnbeteiligung des Staatsarchivs abhängig gemacht werden.
Verstösse gegen die Benützungsordnung
§ 24. Das Staatsarchiv kann bei schweren Verstössen gegen die Benützungsordnung das Benützungsrecht entziehen oder einschränken.
Als schwere Verstösse gelten insbesondere vorsätzliche oder grobfahrlässige Beschädigung und Veränderung von Archivalien sowie wiederholte Veränderung des Ordnungszustands von Archivalien.
Rechte betroffener Personen
§ 25. Betroffene Personen haben keinen Anspruch auf Berichtigung oder Vernichtung von archivierten Daten. Das Recht auf Anbringung eines Vermerks betreffend die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Daten ist gewährleistet.
IV. Archivkommission
Zusammensetzung
§ 26. Die Archivkommission besteht aus der Vorsteherin oder dem Vorsteher der Direktion der Justiz und des Innern, der Staatsarchivarin oder dem Staatsarchivar und seiner Vertretung, den Stadtarchivarinnen oder den Stadtarchivaren von Zürich und Winterthur, einer Vertretung der übrigen Gemeinden, der oder dem kantonalen Beauftragten für den Datenschutz, einer Vertreterin oder einem Vertreter des Sekretariats der Direktion der Justiz und des Innern sowie der obersten kantonalen Gerichte.
Aufgaben
§ 27. Die Archivkommission berät den Regierungsrat und die obersten kantonalen Gerichte bezüglich Entwicklung und Organisation des Archivwesens in der Verwaltung sowie bezüglich Datenschutz im Archivwesen.
V. Schluss- und Übergangsbestimmungen
Aufhebung von Verordnungen
§ 28. Die nachstehenden Verordnungen werden aufgehoben:
a) Verordnung über die Gemeindearchive vom 21. April 1960;
b) Verordnung für die Archive der Bezirksbehörden vom 24. November 1921;
c) Verordnung über das Staatsarchiv vom 10. April 1974.
Übergangsbestimmungen
§ 29. Abgelieferte Akten öffentlicher Organe, welche das Staatsarchiv noch nicht übernommen hat, werden bis zur Übernahme oder Rückgabe nach den Bestimmungen über das Aufbewahren im Auftrag behandelt.
Für die aus den Gerichts- und Gemeindearchiven dem Staatsarchiv übergebenen Prozessakten und Spruchbücher gelten bis zur Änderung der Verordnung des Obergerichts über die Archive der Gerichte, der Friedensrichter-, Gemeindeammann-, Stadtammann- und der Betreibungsämter vom 29. Juni 1994 FN3 die Schutzfristen des Archivgesetzes FN2 und dieser Verordnung.
Inkrafttreten
§ 30. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1999 in Kraft.
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FN1 OS 54, 956.
FN2 432.11.
FN3 211.16.