Neue LS-Nr. 415.33

Disziplinarordnung
der Universität Zürich

(vom 17. Februar 1976) FN1

I. Geltungsbereich

§ 1. Diese Disziplinarordnung gilt für die immatrikulierten Studierenden, die Auditoren, Doktoranden und übrigen Prüfungskandidaten.

§ 2. Die Disziplinargewalt steht allein den in dieser Disziplinarordnung genannten Instanzen zu. Fakultäten und Institute sind nicht befugt, Disziplinarmassnahmen zu treffen. Dagegen sind die Fakultäten berechtigt, Prüfungsausweise nachträglich zu annullieren, wenn sich ergibt, dass bei deren Erwerb unerlaubte Mittel angewendet wurden.

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über ausseruniversitäre Prüfungen.

II. Organe der Disziplinarrechtspflege

§ 3. Organe der Disziplinarrechtspflege sind:

a) der Universitätsanwalt;
b) der Disziplinarausschuss;
c) FN6 die Erziehungsdirektion.

§ 4. Der Universitätsanwalt und seine Stellvertreter werden vom Senat aus dem Kreise der Dozenten der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät auf eine Amtsdauer von zwei Jahren gewählt. Sie dürfen dem Disziplinarausschuss nicht angehören. Wiederwahl ist zulässig.

Der Universitätsanwalt zieht für seine Untersuchungshandlungen einen Protokollführer aus dem Kreise der Assistenten oder der Zentralverwaltung der Universität bei.

§ 5. Der Disziplinarausschuss besteht aus fünf FN7 Mitgliedern, nämlich

a) einem dem Senat angehörenden Dozenten als Vorsitzendem;
b) einem FN7 weiteren Dozenten;
c) einem Assistenten;
d) einem FN7 Studierenden;
e) einem Angehörigen des Personals.

Die Dozenten werden vom Senat, der Assistent von der Mitgliederversammlung der Assistentenvereinigung, der Studierende vom Erweiterten Grossen Studentenrat, der Vertreter des Personals durch die Angehörigen der Universitätsverwaltung in geheimer Wahl bestimmt, wobei für jedes Mitglied gleichzeitig ein Ersatzmitglied zu wählen ist. Wählbar als Studentenvertreter sind alle in den Senat wählbaren Studierenden. FN7

Die Amtsdauer für die Dozenten und die Angehörigen des Personals beträgt vier Jahre, für die Assistenten und die Studierenden ein Jahr. Wiederwahl ist zulässig.

Der Disziplinarausschuss wählt einen Sekretär und nötigenfalls einen Stellvertreter.

§ 6. Unterlässt es ein Wahlkörper, seine Vertreter im Disziplinarausschuss innert einer von der Erziehungsdirektion anzusetzenden Frist zu wählen, oder bleiben die Gewählten den Sitzungen fern, so ist diese Instanz trotzdem beschlussfähig, wenn die Mehrheit ihrer Mitglieder oder Ersatzmitglieder anwesend ist.

Jedes mitwirkende Mitglied oder Ersatzmitglied ist verpflichtet, seine Stimme abzugeben. Bei Stimmengleichheit zählt die Stimme des Vorsitzenden doppelt.

III. Disziplinarfehler und Disziplinarmassnahmen

§ 7. Eines Disziplinarfehlers macht sich schuldig

a) wer sich bei der Ausarbeitung einer Dissertation oder anderer schriftlicher Arbeiten, bei Abschluss- oder Zwischenprüfungen unerlaubter Mittel bedient, insbesondere eine nicht von ihm selbst verfasste Arbeit einreicht;
b) FN7 wer Veranstaltungen der Universität, bewilligte Veranstaltungen Dritter an der Universität oder den geordneten Betrieb auf dem Areal der Universität stört;
c) wer Organe der Universität, Mitglieder des Lehrkörpers, Assistenten, Studierende oder Personal in ihrer Tätigkeit behindert;
d) wer gegen die für die Universität oder deren Institute oder anderen Hilfseinrichtungen geltenden Vorschriften oder gestützt darauf ergangene Anordnungen verstösst;
e) wer eine Ausweisschrift oder eine Vergünstigung, die ihm aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Universität zukommt, missbraucht;
f) FN7 wer wegen schwerwiegender Straftaten, durch welche die Interessen der Universität beeinträchtigt oder gefährdet werden, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

§ 8. Disziplinarmassnahmen sind:

a) der schriftliche Verweis;
b) der Ausschluss von Lehrveranstaltungen oder von der Benützung einzelner Universitätseinrichtungen für die Dauer von höchstens einem Semester, wobei diese Massnahmen miteinander verbunden werden können;
c) FN7 der Ausschluss vom Studium oder von Prüfungen oder von beidem für die Dauer von einem bis zu sechs Semestern. Bei Verfehlungen gemäss § 7 lit. f kann auch ein Ausschluss für die Dauer der Strafverbüssung ausgesprochen werden.

Der Vollzug einer Massnahme gemäss lit. b und c kann bedingt aufgeschoben werden, wenn die gesamten Umstände erwarten lassen, dass sich der Angeschuldigte künftig wohlverhalten wird. Der Aufschub ist nicht zulässig, wenn gegen den Angeschuldigten bereits einmal wegen eines Disziplinarfehlers eine Disziplinarmassnahme gemäss lit. b und c ausgesprochen werden musste. Es wird eine Probezeit von mindestens einem Jahr und von höchstens zwei Jahren angesetzt. FN7

Wer während der Probezeit erneut einen Disziplinarfehler begeht, wird, unabhängig der Anordnung weiterer Disziplinarmassnahmen, im Sinne des ersten Entscheids ausgeschlossen. In leichten Fällen kann der Disziplinarausschuss bzw. die Erziehungsdirektion nur die Probezeit verlängern. FN7

§ 9. Art und Dauer der Massnahme richten sich nach der Bedeutung der beeinträchtigten oder gefährdeten Hochschulinteressen sowie nach dem Verschulden, den Beweggründen und dem bisherigen Verhalten des Angeschuldigten.

§ 10. Disziplinarfehler verjähren innert sechs Monaten, vom Zeitpunkt ihrer Begehung an gerechnet. Die Verjährung wird unterbrochen durch jede Untersuchungshandlung im Disziplinarverfahren oder in einem Strafverfahren wegen des nämlichen Tatbestandes.

Im Falle des Disziplinarfehlers gemäss § 7 lit. a beginnt die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, da die Verwendung unerlaubter Mittel durch ein Mitglied der betroffenen Fakultät festgestellt wird.

Im Falle des Disziplinarfehlers gemäss § 7 lit. f beginnt die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, in dem der Rektor von der rechtskräftigen Verurteilung Kenntnis erhält. Nach der Strafverbüssung bzw. nach dem Ablauf der Probezeit kann kein Disziplinarverfahren mehr eingeleitet werden. FN7

Exmatrikuliert sich ein Studierender nach Begehen eines Disziplinarfehlers oder wird er im Sinne von § 16 Abs. 2 für ein Semester vom Studium und von den Prüfungen ausgeschlossen, so ruht die Verjährung bis zur Wiederimmatrikulation. FN7

Disziplinarmassnahmen sind, mit Ausnahme des Vollzuges eines bedingt aufgeschobenen Ausschlusses, in jedem Falle nach Ablauf von drei Jahren seit dem erstmaligen Beginn der Verjährungsfrist nicht mehr zulässig. FN7

§ 11. Soweit die folgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen, finden die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz) vom 24. Mai 1959 FN2 auf das Disziplinarverfahren Anwendung.

IV. Verfahren

§ 12. Der Rektor überweist die ihm gemeldeten Disziplinarfälle dem Universitätsanwalt oder einem seiner Stellvertreter zur Untersuchung.

Er teilt dem Angeschuldigten die Einleitung des Verfahrens mit und macht ihn auf seine Rechte und Pflichten gemäss dieser Disziplinarordnung aufmerksam.

§ 13. Stört oder gefährdet der Angeschuldigte den Universitätsbetrieb oder verstösst er in grober Weise gegen geltende Vorschriften, so kann ihm der Rektor oder, nach Überweisung des Falles, der Universitätsanwalt den Besuch von Veranstaltungen, die Benützung von Universitätseinrichtungen oder das Betreten von Räumlichkeiten der Universität mit sofortiger Wirkung untersagen. Wenn der Rektor die Massnahme anordnet, hat er den Fall unverzüglich dem Universitätsanwalt zu überweisen.

Ist das Disziplinarverfahren beim Disziplinarausschuss anhängig, so befindet dessen Vorsitzender über die Aufhebung bestehender oder den Erlass vorsorglicher Massnahmen.

Der Angeschuldigte, der darum ersucht, ist nach dem Erlass einer Massnahme innert 5 Tagen anzuhören.

§ 14. Im Falle der Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind die im Bereich der Universität, ihrer Institute und Seminarien befindlichen Beweisgegenstände wie Plakate, Schriften, Bilder usw. vom Rektor oder vom Universitätsanwalt sicherzustellen. Für diese Sicherstellung gilt § 13 sinngemäss. In dem gemäss § 22 zu fällenden Entscheid ist endgültig über die sichergestellten Gegenstände zu befinden.

§ 15. Das Disziplinarverfahren ist so rasch als möglich durchzuführen; namentlich Untersuchungshandlungen sind auch in den Ferien vorzunehmen.

Im Falle der Eröffnung eines Strafverfahrens wegen einer schwerwiegenden Straftat, die wahrscheinlich eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen wird (§ 7 lit. f), kann das Disziplinarverfahren schon vor dem Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils eingeleitet werden. FN6

§ 16. Der Universitätsanwalt hat den Sachverhalt zu ermitteln. Er lädt den Angeschuldigten vor und nimmt alle weiteren zur Abklärung der Sache erforderlichen Untersuchungshandlungen vor, wie namentlich Beizug von Akten und Berichten und Befragen von Auskunftspersonen. Organe der Universität, Angehörige des Lehrkörpers, Studierende, Auditoren und Angestellte sind zur Aussage verpflichtet. Hinsichtlich des Aussageverweigerungsrechtes ist das Gesetz betreffend den Strafprozess vom 4. Mai 1919 FN4 sinngemäss anwendbar.

Der Angeschuldigte wird allein einvernommen. Er ist verpflichtet, auf Vorladung hin zur Einvernahme vor dem Universitätsanwalt zu erscheinen. Bei unentschuldigtem oder nicht genügend entschuldigtem Fernbleiben auferlegt ihm der Universitätsanwalt eine Busse von Fr. 200; im Wiederholungsfall wird er auf Antrag des Universitätsanwaltes durch den Disziplinarausschuss für ein Semester vom Studium und den Prüfungen ausgeschlossen. Einem Rekurs kommt aufschiebende Wirkung nur zu, wenn der Vorsitzende des Disziplinarausschusses bzw. die Erziehungsdirektion dies verfügen. Das Disziplinarverfahren gegen den Angeschuldigten wird auf den Zeitpunkt des Ausschlusses eingestellt, bei Wiederimmatrikulation aber wieder aufgenommen. Zur Beweissicherung können noch die notwendigen Einvernahmen von Auskunftspersonen vorgenommen werden.

In der Vorladung wird auf die Säumnisfolgen hingewiesen.

§ 17. Der Angeschuldigte hat das Recht, der Befragung von Auskunftspersonen beizuwohnen, sofern nicht zwingende Gründe entgegenstehen. Er hat nach Abschluss der Einvernahme aller am Verfahren beteiligten Angeschuldigten das Recht auf Akteneinsicht.

§ 18. Der Angeschuldigte hat vom gleichen Zeitpunkt an, in dem ihm Akteneinsicht zusteht, das Recht, einen Beistand zuzuziehen.

Durch die Verbeiständung darf jedoch das Verfahren nicht ungebührlich verzögert werden.

§ 19. Nach Abschluss der Untersuchung erstattet der Universitätsanwalt dem Disziplinarausschuss schriftlich Bericht und Antrag, sofern er den Fall nicht in eigener Zuständigkeit erledigt.

Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses kann die Abnahme weiterer Beweise anordnen.

§ 20. FN7 Es sind zuständig:

a) der Universitätsanwalt
zur Untersuchung sämtlicher ihm vom Rektor überwiesenen Disziplinarfälle; zur Einstellung des Verfahrens; zur Verhängung von Verweisen im Sinne von § 8 Abs. 1 lit. a;
b) der Disziplinarausschuss
in erster Instanz zum Ausschluss und zum Widerruf eines bedingt aufgeschobenen Ausschlusses gemäss § 8 Abs. 1 lit. b sowie zum bedingt aufgeschobenen Ausschluss gemäss § 8 Abs. 1 lit. c;
zur Antragstellung an die Erziehungsdirektion auf Ausschluss im Sinne von § 8 Abs. 1 lit. c; Rückweisung an den Universitätsanwalt zur Einstellung des Verfahrens oder zur Verhängung eines Verweises erfolgt nicht;
als Rekursinstanz zur Überprüfung der vom Universitätsanwalt verfügten Einstellungen und der von ihm getroffenen Disziplinarmassnahmen;
c) die Erziehungsdirektion
auf Antrag des Disziplinarausschusses zum Ausschluss und zum Widerruf eines bedingt aufgeschobenen Ausschlusses gemäss § 8 Abs. 1 lit. c; Rückweisung an den Universitätsanwalt oder den Disziplinarausschuss zur Einstellung des Verfahrens oder zur Anordnung einer milderen Disziplinarmassnahme erfolgt nicht;
als Rekursinstanz zur Überprüfung der vom Disziplinarausschuss verfügten Einstellungen und der von ihm getroffenen Disziplinarmassnahmen.

§ 21. Im Verfahren vor dem Disziplinarausschuss wird zunächst der Angeschuldigte zur Sache und zur Person befragt. Alsdann begründet der Universitätsanwalt seine Anträge, wobei er die den Angeschuldigten belastenden und entlastenden Tatsachen gleichermassen berücksichtigt. Der Angeschuldigte und sein Beistand haben das Recht, zu den Ausführungen des Universitätsanwaltes Stellung zu nehmen. Der Disziplinarausschuss kann ergänzende Erhebungen durchführen oder den Universitätsanwalt damit beauftragen.

Erscheint der Angeschuldigte trotz Vorladung nicht vor dem Disziplinarausschuss, so wird das Verfahren nach einer halbstündigen Wartefrist gleichwohl durchgeführt.

Das Verfahren ist nicht öffentlich.

An den Beratungen des Disziplinarausschusses nehmen der Universitätsanwalt, der Angeschuldigte und sein Beistand nicht teil.

§ 22. FN7 Jeder Entscheid eines Organs der Disziplinarrechtspflege, durch den ein Disziplinarverfahren eingestellt oder eine Disziplinarmassnahme erlassen wird, ist dem Angeschuldigten, dem Rektor und gegebenenfalls der Erziehungsdirektion und dem Universitätsanwalt schriftlich mit einer kurzen Begründung mitzuteilen. Im Entscheid ist auf die Rekursfrist und die Rekursinstanz hinzuweisen.

§ 23. Der Angeschuldigte, der Senatsausschuss, der Rektor oder der Universitätsanwalt können innert 30 Tagen FN8, von der Zustellung an gerechnet, Rekurs erheben. Ein Rekurs an die Erziehungsdirektion mit dem Antrag auf Ausschluss bzw. Widerruf im Sinne von § 8 Abs. 1 lit. c kann nur vom Senatsausschuss auf Antrag des Rektors oder des Universitätsanwaltes erhoben werden. FN7

Der Rekurs ist der Rekursinstanz schriftlich einzureichen und muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen.

Der Rekurs hat aufschiebende Wirkung, sofern der Vorsitzende der Rekursinstanz bzw. die Erziehungsdirektion ihm diese nicht entzieht.

§ 24. FN7 Die Organe der Disziplinarrechtspflege oder einzelne ihrer Mitglieder haben in den Ausstand zu treten, wenn ein Ausstands- oder Ablehnungsgrund gemäss § 95ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 FN3 gegeben ist.

§ 25. Bezüglich der Kosten gelten die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 FN2, insbesondere § 13ff.

V. Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 26. Die vorliegende Disziplinarordnung ersetzt diejenige vom 21. November 1972, genehmigt vom Regierungsrat am 13. Dezember 1972, und tritt nach Genehmigung FN5 durch den Regierungsrat an dem auf die Veröffentlichung im kantonalen Amtsblatt folgenden Tage in Kraft.

§ 27. Disziplinarfehler, die vor dem Inkrafttreten dieser Disziplinarordnung begangen worden sind, jedoch erst nach deren Inkrafttreten zur Beurteilung gelangen, unterstehen dem neuen Recht, sofern das bisherige nicht als das mildere erscheint.

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FN1 OS 46, 58 und GS III, 421. Vom Erziehungsrat erlassen.
FN2 175.2.
FN3 211.1.
FN4 321.
FN5 Mit RRB 4681/1986 hat der Regierungsrat auf die Genehmigung von Änderungen und Neuerlassen der Disziplinarordnung verzichtet.
FN6 Eingefügt durch ERB vom 9. Dezember 1986 (OS 50, 76).
FN7 Fassung gemäss ERB vom 9. Dezember 1986 (OS 50, 76).
FN8 Fassung gemäss RRB vom 22. April 1998 (OS 54, 553).