Verordnung
über die Ausbildung, Wahlfähigkeit und den Übertritt
von Lehrkräften der Primar- und Sekundarschule
an die Realschule und die Oberschule (Übergangsordnung)
(vom 27. Juni 1960) FN1
Der Regierungsrat,
in Ausführung von § 92 des Gesetzes vom 24. Mai 1959 über die Abänderung des Gesetzes über die Volksschule vom 11. Juni 1899 FN2,
verordnet:
I. Ausbildung und Wahlfähigkeit
§ 1. In Ausführung von § 92 des Gesetzes über die Volksschule vom 11. Juni 1899/24. Mai 1959 FN2 werden Übergangskurse zur Ausbildung von Lehrern für die Realschule und die Oberschule durchgeführt.
Die Erfüllung dieser Ausbildungsbedingungen ist nach Massgabe der nachfolgenden Bestimmungen Voraussetzung für die Wählbarkeit und den Übertritt an die Realschule und die Oberschule.
§ 2. Zur Teilnahme an den Übergangskursen sind gewählte Lehrer und Lehrerinnen der staatlichen Primar- und Sekundarschule berechtigt, die bis Ende des Schuljahres 1959/60 während mindestens drei Schuljahren erfolgreich unterrichtet haben. Über die ausnahmsweise Zulassung weiterer Bewerber entscheidet der Erziehungsrat.
§ 3. Gewählte Lehrer, die die vorstehenden Bedingungen für die Teilnahme an den Übergangskursen erfüllen und im Schuljahr 1960/61 eine Klasse der Primaroberstufe führen, sind zum Besuch der Kurse verpflichtet, sofern sie nicht ausdrücklich den späteren Übertritt an die Realschule oder die Oberschule ablehnen und auf die Wählbarkeit für diese Schule verzichten. Lehrer, die im Schuljahr 1960/61 das 60. Altersjahr vollenden oder überschritten haben, sind von der Verpflichtung zum Kursbesuch befreit.
§ 4. Die Ausbildung umfasst die folgenden Gebiete im nachgenannten zeitlichen Umfang:
Allgemeine Bildung:
Französische Sprachlehre 60 Stunden
Aufenthalt im französischen Sprachgebiet (Kurs) 6 Wochen
Psychologie des Pubertätsalters 30 Stunden
Jugendfürsorge 20 Stunden
Methodik der Unterrichtsfächer der Real- und Oberschule:
Methodik des Deutschunterrichtes 30 Stunden
Methodik des Französischunterrichtes 42 Stunden
Methodik des Rechnens, der Algebra,
der Geometrie und des Geometrischen Zeichnens 46 Stunden
Methodik der Realfächer (inklusive Schüler-
übungen, Erarbeiten von Unterrichtsreihen) 120 Stunden
Methodik des Singens und Zeichnens 20 Stunden
Methodik des Turnens: Besuch je eines Turnkurses
der Turnstufe III für Knaben- und Mädchenturnen
Handwerkliche Ausbildung:
Holzarbeiten 170 Stunden
Metallarbeiten 170 Stunden
nach Wahl Gartenbau, Holz- oder
Metallarbeiten, Apparatebau 33 Stunden
§ 5. Lehrer, die sich für den Unterricht an der Oberschule vorbereiten oder an solchen Klassen unterrichten, sind von den Kursen für Französisch und vom Aufenthalt im französischen Sprachgebiet befreit, haben jedoch an deren Stelle die folgende Ausbildung zu absolvieren:
Heilpädagogik 60 Stunden
Berufskunde 20 Stunden
Anstalts- und Fürsorgepraktikum 4 Wochen
Wechselt ein Lehrer nachträglich die Abteilung der Oberstufe, so sind die der neuen Abteilung entsprechenden Kurse innert zwei Jahren nachzuholen.
§ 6. Lehrer, die sich über eine entsprechende Vorbildung und Tätigkeit ausweisen, sind von der Verpflichtung zu dieser ergänzenden Ausbildung ganz oder teilweise befreit.
Als solche Vorbildung gilt insbesondere:
der Besuch von Kursen der schweizerischen und kantonalen Vereine für Handarbeit und Schulreform, des Pestalozzianums Zürich, der Oberstufenkonferenz des Kantons Zürich und der Arbeitsgemeinschaften der Versuchs- oder Werkklassenlehrer Zürich, Winterthur, Oberland und Meilen;
der Besuch von Vorlesungen und Übungen an Hochschulen, Lehrerbildungsanstalten sowie des heilpädagogischen Seminars Zürich;
der Besuch der Übungen der Lehrerturnvereine;
methodisch-didaktische Arbeiten betreffend Unterrichtsprobleme und Lehrmittel der reorganisierten Oberstufe;
Aufenthalte im französischen Sprachgebiet, Französisch als Umgangssprache;
Tätigkeit als Leiter, Lehrer oder Erzieher in Erziehungsanstalten oder Tätigkeit in Institutionen der Jugendfürsorge und Erziehungsberatung.
§ 7. Primarlehrerinnen, welche im Besitz des zürcherischen oder eines gleichwertigen ausserkantonalen Fähigkeitsausweises als Arbeitsoder Haushaltungslehrerin sind, sind von den Kursen für handwerkliche Ausbildung befreit.
Lehrer, die am 1. Mai 1960 das 56. Altersjahr vollendet und seit sechs Jahren an der Oberstufe erfolgreich unterrichtet haben, sind von der Verpflichtung zu einer weiteren Ausbildung mit Ausnahme für Französisch und Handfertigkeit sowie mit Ausnahme des Aufenthaltes im französischen Sprachgebiet befreit.
§ 8. Über die Verpflichtung oder Berechtigung zur Teilnahme an den Übergangskursen sowie über die Anrechnung einer Vorbildung und die Befreiung vom Kursbesuch entscheidet der in § 14 genannte Arbeitsausschuss. Gegen diesen Beschluss kann an den Erziehungsrat rekurriert werden.
Lehrer, die von der Verpflichtung zum Besuch von Kursen befreit sind, sind zu deren fakultativem Besuch berechtigt.
Lehrer, welche die vorstehenden Bedingungen für die Teilnahme an den Übergangskursen nicht erfüllen, haben den Weg der ordentlichen Ausbildung für Lehrer der Realschule und der Oberschule zu beschreiten. Die Schulleitung kann jedoch eine Vorbildung für den Unterricht an der Realschule und Oberschule und eine längere Tätigkeit an Versuchs- oder Werk- und Abschlussklassen durch Studienerleichterungen berücksichtigen.
§ 9. Die Verpflichtung zum Besuch der Übergangskurse ist ab Beginn des Schuljahres 1960/61 innert drei Jahren zu erfüllen. Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitsausschuss eine Erstreckung bewilligen.
§ 10. Die Lehrer erhalten nach Abschluss der Ausbildung einen Ausweis über die absolvierten und die erlassenen Kurse.
Der Erziehungsrat verleiht auf Antrag der Kursleitung nach Erfüllung der Ausbildungsbedingungen und mindestens einjähriger erfolgreicher Tätigkeit an einer Abteilung der Oberstufe (Realschule, Oberschule, 7./8. Primarklasse, Versuchs-, Werk- oder Abschlussklasse oder ausnahmsweise an einer anderen Schulabteilung mit Schülern im Alter der Oberstufe) das Zeugnis der Wählbarkeit an staatliche Lehrstellen der Realschule und der Oberschule.
§ 11. Die Übergangskurse werden ab Beginn des Schuljahres 1960/61 während drei Jahren durchgeführt.
Die Übergangskurse werden an schulfreien Nachmittagen, Abenden oder als Ferienkurse durchgeführt, die den Besuch neben der Unterrichtstätigkeit gestatten. Sie sollen soweit als möglich die Erfüllung der Ausbildungsbedingungen innert zwei Jahren erlauben.
Bei Überbesetzung von einzelnen Kursen ist die Kursleitung berechtigt, die Zuteilung vorzunehmen und Lehrer späteren Kursen zuzuteilen, insbesondere solche, die zur Teilnahme berechtigt, jedoch nicht verpflichtet sind.
§ 12. Der Erziehungsrat stellt das Kursprogramm auf.
§ 13. Die Durchführung der Kurse wird einem auf Antrag des Erziehungsrates vom Regierungsrat gewählten Leiter übertragen. Es kann ihm ein Stellvertreter beigegeben werden.
§ 14. Die Kurse unterstehen der unmittelbaren Aufsicht eines Arbeitsausschusses von drei bis fünf Mitgliedern, dem ein Mitglied des Erziehungsrates als Präsident, ein bis drei weitere vom Erziehungsrat ernannte Mitglieder und der Kursleiter angehören.
Ist ein Stellvertreter des Kursleiters gewählt, so nimmt er mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Der Kursleiter kann sich durch ihn mit Stimmrecht vertreten lassen.
§ 15. Der Erziehungsrat erteilt auf Antrag des Arbeitsausschusses die erforderlichen Lehraufträge.
Die Entschädigung der Kurslehrer richtet sich nach den für die Lehrer des kantonalen Oberseminars massgebenden Bestimmungen FN3. Die Entschädigung des Kursleiters, seines Stellvertreters sowie des Arbeitsausschusses wird vom Regierungsrat festgesetzt.
Für die Kurse in Methodik können Gemeindeschulen nach den Bestimmungen über die kantonale Übungsschule herangezogen wer-
den.
§ 16. Für den Kursbesuch wird ein Kursgeld erhoben, dessen Höhe vom Regierungsrat festgesetzt wird. Individuelle Lehrmittel und Arbeitsmaterialien gehen zu Lasten der Teilnehmer.
Der Staat übernimmt die Fahrtkosten an die Kursorte.
Bei Kursen im französischen Sprachgebiet, Exkursionen ausserhalb des Kursortes sowie bei Absolvierung eines Anstalts- oder Fürsorgepraktikums kann die Erziehungsdirektion Beiträge an Kursgelder, Fahrtkosten und Kosten auswärtiger Unterkunft und Verpflegung gewähren.
§ 17. Für eine Weiterbildung der Arbeitslehrerinnen und Haushaltungslehrerinnen für den Unterricht an Klassen der Real- und Oberschule kann die Erziehungsdirektion besondere Kurse veranstalten. Der Erziehungsrat kann den Besuch für die an der Oberstufe unterrichtenden Lehrerinnen obligatorisch erklären.
Die Bestimmungen von § 16 finden auf solche Kurse sinngemässe Anwendung.
§ 18. Die Erziehungsdirektion fördert die berufliche Weiterbildung der im Amte stehenden Lehrer durch Veranstaltung oder Unterstützung von Kursen und Vorträgen und durch Beiträge an die Kosten von Studienarbeiten, Studienaufenthalten und Kursbesuchen.
Der Erziehungsrat kann die Teilnahme an solchen Veranstaltungen obligatorisch erklären.
II. Der Übertritt der Lehrkräfte an die Realschule und an die Oberschule
§ 19. Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Oberstufenorganisation in der Gemeinde amtierenden gewählten Sekundarlehrer treten mit allen Rechten und Pflichten in die Stellung gewählter Lehrer der Oberstufenschulgemeinde über. Sie unterliegen der nächsten ordentlichen Bestätigungswahl der Oberstufenlehrer.
§ 20. Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Oberstufenorganisation in der Gemeinde an der Oberstufe der Primarschule (7. und 8. Klasse, Versuchs-, Werk- und Abschlussklassen) amtierenden gewählten Lehrer treten nach Massgabe der folgenden Bestimmungen mit allen Rechten und Pflichten in die Stellung gewählter Lehrer der Realschule oder Oberschule der der bisherigen Sekundarschulgemeinde entsprechenden Oberstufenschulgemeinde. Sie unterliegen der nächsten ordentlichen Bestätigungswahl der Oberstufenlehrer.
Lehrer an gemischten Abteilungen der 1. bis 8. Primarklasse bleiben im Anstellungsverhältnis zu den Primarschulgemeinden, sofern sie nicht ausdrücklich durch Beschluss der Oberstufenschulpflege von der Oberstufenschulgemeinde übernommen werden.
Im übrigen ergänzen die Gemeinden den Lehrkörper der Oberstufe durch Neuwahl.
Bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Oberstufenorganisation unterliegen die Lehrer der ordentlichen Bestätigungswahl der Primarlehrer.
§ 21. Bei Durchführung der Oberstufenorganisation in der einzelnen Gemeinde beschränkt sich der Übertritt gemäss § 20 auf die Lehrer, die in diesem Zeitpunkt im Besitz des im ordentlichen Ausbildungsweg oder gemäss vorstehender Übergangsordnung erworbenen Wählbarkeitszeugnisses sind.
Lehrer, die das Wählbarkeitszeugnis noch nicht besitzen, jedoch an den Übergangskursen teilnehmen, werden für die Dauer der Ausbildung unter Beibehaltung ihrer Lehrstellen an der Primarschule provisorisch an die Real- oder die Oberschule übernommen. Sie treten gemäss § 20 auf den Zeitpunkt als gewählte Lehrer über, in dem sie das Wählbarkeitszeugnis erwerben.
§ 22. Die Oberstufenschulpflege ist berechtigt, dem Erziehungsrat die Ablehnung der Übernahme eines Lehrers gemäss §§ 20 und 21 zu beantragen, wenn der Lehrer auf Grund seines bisherigen Unterrichtes als für die Realschule oder die Oberschule ungeeignet betrachtet werden muss.
Ein solcher Antrag ist spätestens drei Monate vor Inkrafttreten der neuen Schulorganisation in der Gemeinde einzureichen. Bis zum rechtskräftigen Entscheid ist der Übergang aufgeschoben. Ist ein rechtskräftiger Entscheid nicht vor Beginn des Schuljahres möglich, so bestimmt der Erziehungsrat, an welcher Schule der Lehrer provisorisch amtet.
Der Erziehungsrat entscheidet nach Anhören des Lehrers, der beteiligten Gemeindeschulpflegen und der Bezirksschulpflege.
§ 23. Die unter § 20 fallenden Lehrer der Oberstufe sind berechtigt, den Übertritt abzulehnen und die Beibehaltung der Lehrstelle an der Primarschule zu erklären. Eine solche Erklärung ist sowohl der Primarschulpflege als auch der Oberstufenschulpflege spätestens drei Monate vor Inkrafttreten der Oberstufenorganisation in der Gemeinde einzureichen.
An der Sekundarschule gewählte Lehrer können mit Zustimmung der Oberstufenschulpflege nach Massgabe der vorstehenden Bestimmungen an die Realschule oder die Oberschule übertreten, wenn sie die Ausbildungsvorschriften erfüllen.
§ 24. Sind bis zur Durchführung der Oberstufenorganisation in den Gemeinden Lehrstellen der Primaroberstufe neu zu besetzen, so dürfen sie ab Beginn des Schuljahres 1960/61 nur solchen gewählten Lehrern zugeteilt werden, die gemäss § 2 zur Teilnahme an den Übergangskursen berechtigt sind und die Kurse besuchen, ab Beginn des Schuljahres 1964/65 nur Lehrern, die im Besitz des Wählbarkeitszeugnisses für die Realschule und die Oberschule sind.
§ 25. Das Anstellungsverhältnis der von den Sekundarschulgemeinden gewählten Arbeits- und Haushaltungslehrerinnen wird auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Oberstufenorganisation in der Gemeinde mit allen Rechten und Pflichten von den Oberstufenschulgemeinden übernommen. In vereinigten Schulgemeinden sowie in Gemeinden, in welchen die politische Gemeinde das gesamte Schulwesen besorgt, behalten die gewählten Arbeitslehrerinnen und Haushaltungslehrerinnen ihr Anstellungsverhältnis bei, wobei die Schulpflege die Klassen- und Stundenzuteilung an der Realschule und Oberschule vornimmt.
Im übrigen ergänzen die Oberstufenschulpflegen den für den Handarbeits- und Haushaltungsunterricht an der Realschule und Oberschule erforderlichen Lehrkörper auf dem Wege der Neuwahl mit vorangehender Ausschreibung der Stellen.
§ 26. Diese Verordnung unterliegt der Genehmigung durch den Kantonsrat FN5.
Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens FN4.
___________
FN1 OS 40, 954 und GS III, 336.
FN2 412.11.
FN3 413.110.
FN4 In Kraft seit 1. Oktober 1960 (OS 40, 968).
FN5 Vom Kantonsrat genehmigt am 27. Juni 1960.