Verfügung der Direktion der Volkswirtschaft
über das Absenzenwesen und die Disziplinarordnung an den gewerblich-industriellen und kaufmännischen Berufsschulen
(vom 6.Juli 1971) FN1

Die Direktion der Volkswirtschaft,

in Anwendung von § 19 des kantonalen Gesetzes vom 3. Dezember 1967 betreffend den Vollzug des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (Vollzugsgesetz) FN2,

verfügt:
I. Allgemeines

Pflicht zum Besuch des Unterrichts
§ 1. Der Lehrling ist gemäss Art. 22 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung FN5 verpflichtet, den Unterricht nach Massgabe des für seinen Beruf geltenden Lehrplanes vom Beginn der Probezeit an regelmässig zu besuchen und die Anordnungen der Schule zu befolgen.

Der Lehrmeister ist verpflichtet, dem Lehrling für den Schulunterricht die notwendige Zeit einzuräumen und ihn anzuhalten, die Berufsschule zu besuchen.

Die nachfolgenden Vorschriften beziehen sich auf die den obligatorischen Unterricht besuchenden Lehrlinge, auf Berufsleute, die sich nach Art. 30 des Bundesgesetzes FN7 über die Berufsbildung auf die Lehrabschlussprüfung vorbereiten und auf ehemalige Lehrlinge, die sich auf eine Wiederholung der Lehrabschlussprüfung vorbereiten.

Für Schüler, die den Unterricht freiwillig besuchen, und für Lehrlinge, die ihre Lehre an einer Schule absolvieren, gelten die besonderen Vorschriften der Berufsschulen.

II. Absenzenwesen

Absenzen
§ 2. Das Fernbleiben von einer bis zu sämtlichen Unterrichtsstunden an einem Wochentag sowie das Zuspätkommen und das vorzeitige Verlassen des Unterrichts gelten als Absenzen.

Als unentschuldigt gilt jede Absenz, die nicht vorher bewilligt oder spätestens innert 14 Tagen hinreichend begründet wird.

Entschuldigungsgründe
§ 3. Als Entschuldigungsgründe gelten:

a) Krankheit, Unfall, aussergewöhnliche Ereignisse in der Familie des Lehrlings;

b) geschäftliche Inanspruchnahme bei ausserordentlichen Ereignissen zur Abwendung von bedeutendem Schaden, soweit das übrige Personal für den gleichen Zweck in Anspruch genommen wird; auswärtige Berufsarbeit, sofern sie für die Ausbildung unumgänglich ist, der Schulbesuch nicht zugemutet werden kann und sich die Absenz vom Unterricht verantworten lässt;

c) ausserhalb des Einflussbereiches der Vertragsparteien liegende Ereignisse, wie Zugsverspätungen usw.;

d) Militär-, Feuerwehr-, Hilfs- und Zivilschutzdienst;

e) die Teilnahme an interkantonalen Fachkursen gemäss Art. 25 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung FN6;

f) die Teilnahme an Einführungskursen gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung FN3 in dem Umfang, als die Kursteilnehmer durch das genehmigte Reglement vom Unterricht befreit worden sind (Art. 7 der Verordnung zum Bundesgesetz) FN10;

g) für Schüler jüdischer Konfession die folgenden Feiertage: Zwei Tage des Neujahrfestes; ein Tag des Versöhnungsfestes und je zwei Tage des Laubhütten-, des Oster- und des Pfingstfestes;

h) Ferien, die aus zwingenden Gründen nicht während der Schulferien bezogen werden können;

i) die Teilnahme an Bildungslagern der Lehrbetriebe sowie an berufsbezogenen Branchenkursen der Berufsverbände, die theoretisches oder fachtechnisches Wissen vermitteln, das im berufskundlichen Unterricht nicht behandelt wird, während höchstens einer Schulwoche pro Jahr, in der Regel unmittelbar vor den Herbstferien, sofern diese Veranstaltungen aus zwingenden Gründen nicht während der Schulferien durchgeführt werden können;

k) die Teilnahme an «Jugend und Sport»-Leiterkursen und an der fliegerischen Vorschulung;

l) andere vom Schulleiter im Einzelfall anerkannte besondere Umstände. Der Schulleiter kann den versäumten Unterricht vor- oder nachholen lassen.

Der Schulleiter kann Gesuche um Dispensationen im Sinne von lit. b und h-l ablehnen, wenn die Absenz in das Semester vor der Lehrabschlussprüfung fällt, wenn bereits mehrere Absenzen im laufenden Schuljahr vorliegen, bei schlechter Arbeitshaltung oder schwachen Leistungen des Lehrlings. Ablehnungen erfolgen schriftlich mit Begründung und mit Rechtsmittelbelehrung.

Entschuldigungsgesuche
§ 4. Die Entschuldigungsgesuche sind schriftlich mit Angabe des Grundes der Absenz der Schulleitung einzureichen. Sie sind vom Lehrling, vom Lehrmeister sowie vom Inhaber der elterlichen Gewalt zu unterzeichnen.

Bei voraussehbaren Absenzen ist das Gesuch mindestens 14 Tage im voraus einzureichen.

Absenzenkontrolle
§ 5. Jeder Lehrer hat eine Kontrolle zu führen, in welcher die Absenzen als entschuldigt oder unentschuldigt zu bezeichnen sind.

Es bleibt der Schulleitung freigestellt, die Absenzen in das Zeugnis einzutragen. Sofern dies geschieht, ist zwischen entschuldigten und unentschuldigten Absenzen und bei den unentschuldigten zwischen solchen zu unterscheiden, die vom Lehrling oder vom Lehrmeister oder vom Inhaber der elterlichen Gewalt verursacht wurden.

Strafen
a) bei Verantwortlichkeit des Lehrlings
§ 6. Bei unentschuldigten Absenzen, für die der Lehrling verantwortlich ist, hat die Schulleitung folgende Massnahmen zu treffen:

a) Bei der ersten unentschuldigten Absenz: Mündliche oder schriftliche Ermahnung;

b) bei der zweiten unentschuldigten Absenz: Eingeschriebene schriftliche Verwarnung mit Androhung der Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung;

c) bei der dritten unentschuldigten Absenz: Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung (Art. 56 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Berufsbildung FN9 und § 34 des Vollzugsgesetzes FN2).

Die unentschuldigten Absenzen sind mit Beginn jedes Schuljahres neu zu zählen.

Von der schriftlichen Verwarnung mit Androhung der Verzeigung und der Verzeigung selbst ist dem Lehrmeister und dem Inhaber der elterlichen Gewalt, von der Verzeigung auch dem Amt für Berufsbildung, durch schriftliche Mitteilung Kenntnis zu geben. Dem Lehrmeister ist ein Doppel der Verwarnung zuzustellen, das er unverzüglich der Schulleitung unterzeichnet zurückzusenden hat.

b) bei Verantwortlichkeit des Lehrmeisters
§ 7. Bei unentschuldigten Absenzen, für die der Lehrmeister verantwortlich ist, hat die Schulleitung folgende Massnahmen zu treffen:

a) Bei der ersten unentschuldigten Absenz: Schriftliche Verwarnung;

b) bei der zweiten unentschuldigten Absenz: Androhung der Verzeigung beim Statthalteramt;

c) bei weiteren unentschuldigten Absenzen: Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung (Art. 55 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes FN8 über die Berufsbildung und § 34 des Vollzugsgesetzes FN2).

Von der schriftlichen Verwarnung, der Androhung der Verzeigung und der Verzeigung selbst ist dem Inhaber der elterlichen Gewalt sowie dem kantonalen Amt für Berufsbildung schriftlich Kenntnis zu geben.

Auflösung des Lehrverhältnisses
§ 8. Erfolgt trotz Verzeigung und Bestrafung keine Besserung, so ist der Fall an das Amt für Berufsbildung zu überweisen, das eine Untersuchung durchführt und das Lehrverhältnis gegebenenfalls gemäss Art. 19 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung FN4 auflöst.

III. Disziplin

Verantwortlichkeit
§ 9. Lehrer und Schulleitung sind für die Disziplin im Unterricht und an der Schule verantwortlich.

Die Lehrer sind verpflichtet, ernste Vorkommnisse unverzüglich dem Abteilungsvorsteher bzw. dem Schulleiter zu melden.

Disziplinarmassnahmen
§ 10. Gegen Lehrlinge, die den Unterricht stören, den Schulbetrieb beeinträchtigen oder Lehrer oder Schulleitung verunglimpfen, können die folgenden Massnahmen ergriffen werden:

a) Durch den Lehrer:


b) Durch den Abteilungsvorsteher bzw. den Schulleiter:
c) Durch den Schulleiter:
d) Durch das kantonale Amt für Berufsbildung:
Die genannten Massnahmen können einzeln oder sinngemäss nebeneinander angewandt werden.

Ist eine ordnungsgemässe Durchführung des Unterrichts nicht mehr gewährleistet, so kann die Aufsichtskommission auf Antrag des Schulleiters den Unterricht an der Schule vorübergehend einstellen.

Rechtliches Gehör und Rechtsmittel
§ 11. Ein Lehrling, über den eine Disziplinarmassnahme verhängt wird, ist zur Sache anzuhören.

Bei Wegweisung vom Unterricht durch den Lehrer kann der Betroffene bei der Schulleitung, bei Wegweisung durch die Schulleitung beim Amt für Berufsbildung Beschwerde führen.

Die Beschwerdeinstanz entscheidet, ob der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt.

Die Beschwerdefrist beträgt in allen Fällen 20 Tage.

Mitteilung
§ 12. Werden Massnahmen gemäss § 10 Abs. 1 lit. b-d getroffen, so ist dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Lehrmeister davon Mitteilung zu machen.

Anordnungen gemäss § 10 Abs. 1 lit. b sind ausserdem, sofern sie vom Abteilungsvorsteher getroffen werden, der Schulleitung, solche gemäss § 10 Abs. 1 lit. c und § 10 Abs. 3 unverzüglich dem Amt für Berufsbildung zu melden.

IV. Schlussbestimmungen

Vollzug
§ 13. Der Vollzug dieser Verfügung obliegt den Schulleitungen. Sie haben dafür zu sorgen, dass die Vorschriften jedem Schüler rechtzeitig bekanntgegeben werden.

Die Schulleitungen können beim kantonalen Amt für Berufsbildung die für die Durchführung des Absenzenwesens erforderlichen Formulare beziehen.

Inkrafttreten
§ 14. Diese Verfügung ersetzt diejenige vom 6. Juni 1968; sie tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

___________

FN1 OS 44, 184 und GS III, 230.
FN2 Heute EG zum Berufsbildungsgesetz (413.11).
FN3 Heute Art. 16 BBG (SR 412.10).
FN4 Heute Art. 25 Abs. 2 und 31 BBG (SR 412.10).
FN5 Heute Art. 30 BBG (SR 412.10).
FN6 Heute Art. 34 BBG (SR 412.10).
FN7 Heute Art. 41 BBG (SR 412.10).
FN8 Heute Art. 70 Abs. 1 lit. c BBG (SR 412.10).
FN9 Heute Art. 71 Abs. 1 lit. a BBG (SR 412.10).
FN10 Vgl. heute Art. 16 Abs. 4 BBG (SR 412.10).