Reglement über das Absenzenwesen
und die Disziplinarordnung an den Berufsschulen
(Disziplinarreglement)
(vom 29. September 1995) FN1

Die Direktion der Volkswirtschaft,

gestützt auf § 20 Abs. 6 der Berufsbildungsverordnung vom 16. Dezember 1987 FN5,

verfügt:

I. Allgemeines

Geltungsbereich
§ 1. Lehrlinge, die den Pflichtunterricht, den Berufsmittelschulunterricht, Freifächer oder Stützkurse besuchen, Berufsschulen sowie Lehrmeisterinnen und Lehrmeister unterstehen den nachfolgenden Vorschriften. Diese gelten auch für Berufsleute, die sich nach Art. 41 des Berufsbildungsgesetzes FN7 auf die Lehrabschlussprüfung vorbereiten, und für ehemalige Lehrlinge, die sich auf eine Wiederholung der Lehrabschlussprüfung vorbereiten.

Pflicht zum Besuch des Unterrichts
§ 2. Der Lehrling ist gemäss Art. 30 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz) vom 19. April 1978 FN7 verpflichtet, den Unterricht nach Massgabe des für seinen Beruf geltenden Lehrplanes vom Beginn der Probezeit an regelmässig zu besuchen und die Anordnungen der Schule zu befolgen.

Die Lehrmeisterin oder der Lehrmeister hat den Lehrling zum Besuch des Pflichtunterrichts anzuhalten und ihm die hiefür nötige Zeit ohne Lohnabzug freizugeben. Lehrlinge, die in Betrieb und Schule die Voraussetzungen erfüllen, können ohne Lohnabzug die Berufsmittelschule oder Freifächer besuchen.

Rechtliches Gehör
§ 3. Ein Lehrling, über den eine Disziplinarmassnahme verhängt werden soll, ist vorgängig zur Sache anzuhören.

II. Absenzenwesen

Absenzen
§ 4. Das Fernbleiben von Unterrichtsstunden sowie das Zuspätkommen und das vorzeitige Verlassen des Unterrichts gelten je als Absenzen.

Als unentschuldigt gilt jede Absenz, die nicht vorher bewilligt oder spätestens innert 14 Tagen hinreichend begründet wird.

Entschuldigungsgründe
§ 5. Als Entschuldigungsgründe gelten:

a) Krankheit, Unfall, aussergewöhnliche Ereignisse in der Familie des Lehrlings;

b) geschäftliche Inanspruchnahme bei ausserordentlichen Ereignissen zur Abwendung von bedeutendem Schaden, soweit das übrige Personal für den gleichen Zweck in Anspruch genommen wird;

auswärtige Berufsarbeit, sofern sie für die Ausbildung unumgänglich ist, der Schulbesuch nicht zugemutet werden kann und sich die Absenz vom Unterricht verantworten lässt;

c) ausserhalb des Einflussbereichs des Lehrlings liegende Ereignisse, wie Zugsverspätungen usw.;

d) Militär-, ziviler Ersatz-, Zivilschutz- und Feuerwehrdienst;

e) die Teilnahme an interkantonalen Fachkursen gemäss Art. 34 des Berufsbildungsgesetzes FN7;

f) für Lehrlinge nichtchristlicher Konfession die hohen Feiertage ihrer Religion;

g) Ferien, die aus zwingenden Gründen nicht während der Schulferien bezogen werden können;

h) die Teilnahme an Bildungslagern der Lehrbetriebe sowie an berufsbezogenen Branchenkursen der Berufsverbände, die theoretisches oder fachtechnisches Wissen vermitteln, das im berufskundlichen Unterricht nicht behandelt wird, während höchstens einer Schulwoche pro Jahr, in der Regel unmittelbar vor den Herbstferien, sofern diese Veranstaltungen aus zwingenden Gründen nicht während der Schulferien oder der Prüfungswochen durchgeführt werden können;

i) der Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit gemäss Art. 329 e des Obligationenrechts (OR) vom 30. März 1911 FN6 und die Teilnahme an der fliegerischen Vorschulung;

k) andere von der Schulleiterin oder vom Schulleiter im Einzelfall anerkannte besondere Umstände. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann den versäumten Unterricht vor- oder nachholen lassen.

Entschuldigungsgesuche
§ 6. Die Entschuldigungsgesuche sind schriftlich mit Angabe des Grundes der Absenz der Schulleitung einzureichen. Sie sind vom Lehrling, von der Lehrmeisterin oder vom Lehrmeister sowie von der Inhaberin oder vom Inhaber der elterlichen Gewalt zu unterzeichnen

Bei voraussehbaren Absenzen ist ein Gesuch mindestens 14 Tage im voraus einzureichen.

Ablehnung
§ 7. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann auf § 5 lit. b und g-k gestützte, begründete Gesuche um Dispensation ablehnen, wenn die Absenz in das Semester vor der Lehrabschlussprüfung fällt, wenn bereits mehrere Absenzen im laufenden Schuljahr vorliegen oder bei schlechter Arbeitshaltung oder schwachen Leistungen des Lehrlings.

Ablehnungen erfolgen schriftlich mit Begründung und mit Rechtsmittelbelehrung.

Absenzenkontrolle
§ 8. Jede Lehrkraft hat eine Kontrolle zu führen, in welcher die Absenzen als entschuldigt oder unentschuldigt zu bezeichnen sind.

Bei unentschuldigten Absenzen ist festzuhalten, durch wen diese verursacht worden sind.

Die unentschuldigten Absenzen sind mit Beginn jedes Schuljahres neu zu zählen.

Massnahmen bei Verantwortlichkeit des Lehrlings
§ 9. Bei unentschuldigten Absenzen, für die der Lehrling verantwortlich ist, kann die Schulleitung folgende Massnahmen treffen:

a) Bei der ersten unentschuldigten Absenz: mündliche oder schriftliche Ermahnung;

b) bei der zweiten unentschuldigten Absenz im Pflicht- oder Berufsmittelschulunterricht: eingeschriebene schriftliche Verwarnung mit Androhung der Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung;

c) bei der dritten unentschuldigten Absenz im Pflicht- oder Berufsmittelschulunterricht: Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung (Art. 71 Abs. 1 lit. a des Berufsbildungsgesetzes FN7 und § 37 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Berufsbildung [EG zum Berufsbildungsgesetz] vom 21. Juni 1987 FN4);

d) bei der zweiten unentschuldigten Absenz im Freifach- oder Stützkursunterricht: schriftliche Verwarnung mit Androhung des Ausschlusses;

e) bei der dritten unentschuldigten Absenz im Freifach- oder Stützkursunterricht: Ausschluss vom Besuch des Freifach- oder Stützkursunterrichts.

Mitteilung
§ 10. Von der schriftlichen Verwarnung mit Androhung der Verzeigung und der Verzeigung selbst ist der Lehrmeisterin oder dem Lehrmeister, dem Lehrling und der Inhaberin oder dem Inhaber der elterlichen Gewalt, von der Verzeigung auch dem Amt für Berufsbildung, durch schriftliche Mitteilung Kenntnis zu geben. Der Lehrmeisterin oder dem Lehrmeister ist ein Doppel der Verwarnung zuzustellen, das unverzüglich der Schulleitung unterzeichnet zurückzusenden ist.

Von der schriftlichen Verwarnung mit Androhung des Ausschlusses vom Besuch des Freifach- oder Stützkursunterrichts sowie vom Ausschluss selbst ist der Lehrmeisterin oder dem Lehrmeister, dem Lehrling und der Inhaberin oder dem Inhaber der elterlichen Gewalt durch schriftliche Mitteilung Kenntnis zu geben.

Massnahmen bei Verantwortlichkeit der Lehrmeisterin oder des Lehrmeisters
§ 11. Bei unentschuldigten Absenzen, für welche die Lehrmeisterin oder der Lehrmeister verantwortlich ist, kann die Schulleitung folgende Massnahmen treffen:

a) Bei der ersten unentschuldigten Absenz: schriftliche Verwarnung;

b) bei der zweiten unentschuldigten Absenz: Androhung der Verzeigung beim Statthalteramt;

c) bei weiteren unentschuldigten Absenzen: Verzeigung beim Statthalteramt zur Bestrafung (Art. 70 Abs. 1 lit. c des Berufsbildungsgesetzes FN7 und § 37 des EG zum Berufsbildungsgesetz FN4).

Mitteilung
§ 12. Von der schriftlichen Verwarnung, der Androhung der Verzeigung und der Verzeigung selbst ist dem Lehrling, der Inhaberin oder dem Inhaber der elterlichen Gewalt sowie dem Amt für Berufsbildung schriftlich Kenntnis zu geben.

Auflösung des Lehrverhältnisses
§ 13. Erfolgt trotz Verzeigung und Bestrafung keine Besserung, so ist der Fall an das Amt für Berufsbildung zu überweisen, das eine Untersuchung durchführt und das Lehrverhältnis gegebenenfalls gestützt auf Art. 25 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes FN7 auflöst.

III. Übriges Disziplinarwesen

Verantwortlichkeit
§ 14. Lehrkräfte und Schulleitung sind für die Disziplin im Unterricht und an der Schule verantwortlich.

Die Lehrkräfte sind verpflichtet, ernste Vorkommnisse unverzüglich zu protokollieren und der Abteilungsleiterin oder dem Abteilungsleiter bzw. der Schulleiterin oder dem Schulleiter zu melden.

Ergreifung von Personen
§ 15. Schulleitungsmitglieder, Lehrkräfte und Hausdienstangestellte sind gestützt auf §§ 55 und 56 der Strafprozessordnung FN3 berechtigt, eine Person im Schulhaus oder auf dem Schulareal, nötigenfalls mit Gewalt, zu ergreifen, die

1. in ihrer Gegenwart ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt hat oder

2. nach ihrer eigenen unmittelbaren Wahrnehmung eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt werden muss.

Die ergriffene Person ist so bald als möglich der Polizei zur Festnahme zu übergeben.

Sicherstellung von Gegenständen
§ 16. Schulleitungsmitglieder, Lehrkräfte und Hausdienstangestellte sind gestützt auf § 96 der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 FN3 im Schulhaus oder auf dem Schulareal berechtigt, voraussichtlich der Beschlagnahmung unterliegende Gegenstände, insbesondere Waffen und Drogen, zuhanden der Untersuchungsbehörde einstweilen sicherzustellen.

Disziplinarmassnahmen im Pflicht- oder Berufsmittelschulunterricht
§ 17. Gegen Lehrlinge, die den Pflicht- oder Berufsmittelschulunterricht stören, den Schulbetrieb beeinträchtigen oder Lehrkräfte oder Schulleitung verunglimpfen, können folgende Massnahmen ergriffen werden:

a) durch die Lehrkraft:


b) durch die Abteilungsleiterin oder den Abteilungsleiter bzw. die Schulleiterin oder den Schulleiter:
c) durch die Schulleiterin bzw. den Schulleiter:
d) durch das kantonale Amt für Berufsbildung:
Die genannten Massnahmen können einzeln oder sinngemäss nebeneinander angewandt werden.

Disziplinarmassnahmen im Freifach- oder Stützkursunterricht
§ 18. Gegen Lehrlinge, die den Freifach- oder Stützkursunterricht stören, können folgende Massnahmen ergriffen werden:

a) durch die Lehrkraft:


b) durch die Schulleitung:
Einstellung des Unterrichts
§ 19. Ist eine ordnungsgemässe Durchführung des Unterrichts nicht mehr gewährleistet, so kann das Amt für Berufsbildung auf Antrag der Schulleiterin oder des Schulleiters den Unterricht an der Schule vorübergehend einstellen.

Mitteilung
§ 20. Werden Massnahmen gemäss § 17 Abs. 1 lit. b-d oder § 18 lit. b getroffen, so ist dem Lehrling, der Inhaberin oder dem Inhaber der elterlichen Gewalt und der Lehrmeisterin oder dem Lehrmeister davon Mitteilung zu machen.

Anordnungen gemäss § 17 Abs. 1 lit. b sind ausserdem, sofern sie von der Abteilungsleiterin oder vom Abteilungsleiter getroffen werden, der Schulleitung, solche gemäss § 17 Abs. 1 lit. c unverzüglich dem Amt für Berufsbildung zu melden.

IV. Verwaltungsrechtspflege

Entzug der aufschiebenden Wirkung
§ 21. Mit der Verfügung betreffend Wegweisung vom Unterricht kann dem Lauf der Rekursfrist und der Einreichung des Rekurses die aufschiebende Wirkung entzogen werden (§ 25 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [Verwaltungsrechtspflegegesetz] vom 24. Mai 1959) FN2.

§ 22. Gegen Entscheide im Absenzen- und Disziplinarwesen kann die betroffene Person innert 20 Tagen seit Erhalt der entsprechenden Mitteilung bei der Schulleitung Einsprache erheben. Rekurse gegen Einspracheentscheide beurteilen erstinstanzlich das Amt für Berufsbildung und endgültig der Berufsbildungsrat (§ 34 Abs. 1 und 2 des EG zum Berufsbildungsgesetz) FN4.

Verfahren gegen Entscheide der Schulen und des Amtes für Berufsbildung
Entscheide des Amtes für Berufsbildung betreffend Verwarnung, Androhung der Auflösung und Auflösung des Lehrverhältnisses sind direkt an die Volkswirtschaftsdirektion und danach an den Regierungsrat mittels Rekurs weiterziehbar.

V. Schlussbestimmungen

Vollzug
§ 23. Der Vollzug dieses Reglements obliegt den Schulleitungen. Das Amt für Berufsbildung erlässt Weisungen und Formulare, die einen einheitlichen Vollzug sicherstellen.

Der Inhalt dieses Reglements ist den Lehrlingen sowie den Lehrmeisterinnen und Lehrmeistern in geeigneter Form rechtzeitig bekanntzumachen.

§ 24. Dieses Reglement tritt am 1. Oktober 1995 in Kraft. Auf den gleichen Zeitpunkt wird die Verfügung der Direktion der Volkswirtschaft über das Absenzenwesen und die Disziplinarordnung an den gewerblich-industriellen und kaufmännischen Berufsschulen vom 6. Juli 1971 aufgehoben.

___________

FN1 OS 53, 294.
FN2 175.2.
FN3 321.
FN4 413.31.
FN5 413.311.
FN6 SR 220.
FN7 SR 412.10.