Dienstreglement
für das Polizeikorps des Kantons Zürich
(vom 8. März 1951) FN1

I. Grundlagen

§ 1. Die Kantonspolizei ist Kriminalpolizei. Zudem hat sie die Behörden in der Handhabung der Gesetze und Verordnungen zu unterstützen und bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mitzuwirken.

§ 2. Die Polizei hat ohne Ansehen der Person jeden Rechtsbruch zu verzeigen.

§ 3. Das Polizeikorps steht unter militärischer Disziplin.

§ 4. Die Korpsangehörigen haben die ihnen übertragenen Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen.

§ 5. Die Polizei hat bei der Ausübung ihres Dienstes taktvoll und entschlossen zu handeln; sie hat sich jeden beschimpfenden Wortes, jeder widerrechtlichen Drohung und Tätlichkeit zu enthalten.

Die Dienstausübung erfolgt in Zivil, sofern nichts anderes befohlen wird. Schusswaffe, Schliesszeug und die nötigen Fahndungsbücher sind mitzutragen.

Vor jeder Amtshandlung in Zivil hat sich der Korpsangehörige zu legitimieren; im übrigen gilt die Uniform als Legitimation.

§ 6. Das Anreizen zu verbotenen Handlungen ist untersagt.

§ 7. Die Korpsangehörigen haben sich in und ausser Dienst einer einwandfreien Aufführung zu befleissen und alles zu vermeiden, was der Ehre und dem Ansehen des Korps zum Nachteil gereichen könnte.

§ 8. Es steht der Polizei nicht zu, sich durch Besorgung von Diensten, die nicht in ihren Aufgabenkreis fallen, in fremde Privatangelegenheiten zu mischen.

§ 9. Den Korpsangehörigen ist untersagt, Spekulationen zu betreiben oder im Hinblick auf ihre dienstliche Stellung Geschenke oder sonstige Vergünstigungen für sich oder für andere anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.

Wird ein Geschenk angeboten, so ist der Anbietende an das Polizeikommando zu verweisen. Die Zuteilung von Belohnungen und von Geschenken für Dienstleistungen geschieht durch das Polizeikommando.

§ 10. Den Korpsangehörigen ist die Ausübung einer bezahlten oder zeitraubenden Nebenbeschäftigung untersagt. Der Regierungsrat oder die Polizeidirektion können zeitlich begrenzte Ausnahmen bewilligen. Erteilte Bewilligungen können jederzeit entzogen werden, wenn die Ausübung der Nebengeschäfte den Dienst beeinträchtigt.

. . . FN16

§ 11. Über dienstliche Angelegenheiten sind die Korpsangehörigen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bleibt auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses bestehen.

Leumundsberichte dürfen nur auf Ersuchen einer zuständigen Behörde erstellt werden.

II. Organisation und Aufgabe

1. Aussendienst

a) Der Dienst der Stationierten

§ 12. Der Stationierte besorgt den Polizeidienst in seinem Polizeikreis. Er hat sich mit allen Obliegenheiten zu befassen, die sowohl nach den gesetzlichen Bestimmungen als auch ihrer Natur nach in das Gebiet der polizeilichen Tätigkeit fallen. Dazu gehören: Verhütung strafbarer Handlungen, Feststellung, Verfolgung und Verzeigung begangener Gesetzesübertretungen, Personen- und Sachfahndung, Ausführung von Aufträgen zuständiger Amtsstellen.

§ 13. Die Stationierten begehen, soweit sie nicht durch andere Dienstverrichtungen beansprucht sind, täglich ihren Stationskreis. In der Regel ist wöchentlich eine Nachttour auszuführen.

Orten, die als Schlupfwinkel für Verbrecher und Landstreicher dienen können, ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

§ 14. Die Stationierten haben sich umfassende Personen- und Ortskenntnisse zu verschaffen.

Sie haben mit den Fürsorgestellen ihres Stationskreises in ständiger Fühlung zu stehen. Dem Jugendschutz ist besondere Beachtung zu schenken.

§ 15. Wirtschaftsbetriebe, die Gäste beherbergen, sind regelmässig durch Einsichtnahme in die Fremdenbücher und Meldezettel zu kontrollieren. Verdächtige Gäste sind einer Kontrolle zu unterziehen.

§ 16. Bettler und Landstreicher sind nach den Vorschriften von Bund und Kanton FN7 zu behandeln.

§ 17. Nach Tunlichkeit sind Passantenkontrollen durchzuführen. Dabei sind die Ausweispapiere auf ihre Echtheit zu prüfen.

§ 18. Die benachbarten Stationierten sind zu gegenseitiger Hilfeleistung verpflichtet. Dies gilt auch gegenüber der Polizei benachbarter Kantone.

§ 19. Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Feststellung von Tatbeständen in einem anderen Stationskreis dürfen in der Regel nur nach Fühlungnahme mit dem zuständigen Stationierten vorgenommen werden.

Werden Ausgeschriebene und Gesuchte in einer anderen Station ermittelt, so ist dem betreffenden Stationierten unverzüglich Kenntnis zu geben.

§ 20. Werden unberechtigte Amtshandlungen anderer Polizeiorgane oder Behörden im Stationskreis festgestellt (zum Beispiel Verstösse gegen Art. 355 und 356 StGB) FN8, so ist dem Polizeikommando unverzüglich Meldung zu erstatten.

§ 21. Der direkte Verkehr mit ausländischen und ausserkantonalen Amtsstellen ist untersagt.

b) Der Spezialdienst

§ 22. Die Hauptaufgabe der dem Spezialdienst zugeteilten Mannschaft besteht in der Bekämpfung des reisenden und gewerbsmässigen Verbrechertums. Die Angehörigen des Spezialdienstes erhalten ihre Aufträge vom Polizeikommando sowie von Strafverfolgungs- und Gerichtsbehörden.

Dem Spezialdienst ist je eine Gruppe für Leumundsberichte und Einbürgerungsgesuche angeschlossen.

c) Der Nachrichtendienst

§ 23. Der Nachrichtendienst befasst sich mit allen Handlungen, die gegen die innere und äussere Sicherheit des Staates gerichtet sind.

d) Verkehrsabteilung und Seepolizei

§ 24. Die Verkehrsabteilung befasst sich mit der Kontrolle des Strassenverkehrs. Ihr obliegt auch die Ausübung der Seepolizei. Sie leistet den Dienst in Uniform.

2. Dienstzweige

a) Geschäftskontrolle, Registratur und Personalarchiv

§ 25. In der Geschäftskontrolle werden sämtliche Geschäftseingänge sowie die Zwischenverfügungen und Erledigungen vorgemerkt.

In die Registratur werden die in den Geschäftseingängen vorkommenden Namen der Beschuldigten und Verletzten in alphabetischer Reihenfolge eingetragen.

Im Personalarchiv werden Akten und Kopien, die für das Polizeikommando bestimmt sind, abgelegt.

Das Polizeikommando entscheidet über die Aushingabe von Personalakten an Amtsstellen.

b) Erkennungsdienst

§ 26. Dem Erkennungsdienst sind folgende Aufgaben übertragen: Daktyloskopierung und Signalementsabnahme eingebrachter Personen, Identitätsfeststellungen, Feststellung unbekannter Täter, Sicherung und Auswertung von Tatortspuren, gerichtliche Schriftuntersuchung, Durchführung kriminaltechnischer Untersuchungen aller Art, soweit dies nicht Sache des Gerichtsmediziners oder anderer Experten ist, Sachfahndung. Der Erkennungsdienst führt die Personal- und Signalementskartenregistratur, Finger- und Handflächenabdruckregistratur, Schriftregistraturen, Tatortspurenregister, Spezialistenregister, Unbekanntenregister, Sachenregister, Straftatenregister und anderes mehr.

§ 27. Dem Photodienst sind folgende Aufgaben übertragen: photographische und zeichnerische Tatbestandsaufnahme, Personenphotographie, Durchführung kriminaltechnischer Untersuchungen im Einvernehmen mit dem Erkennungsdienst, phototechnische Aufnahmen.

c) Meldedienst

§ 28. Der Meldedienst sammelt und verbreitet polizeiliche Nachrichten. Zu diesem Zwecke stehen ihm hauptsächlich zur Verfügung: Funk, Fernschreiber, Telephon sowie die Polizeianzeiger.

d) Fahndungsdienst

§ 29. Der Fahndungsdienst nimmt Fahndungsersuchen entgegen und ordnet die notwendigen Massnahmen an.

In der Fahndungsregistratur werden vorgemerkt: Personen, die wegen strafbarer Handlungen verfolgt werden, ausgewiesene, vermisste sowie von Verwaltungsbehörden gesuchte Personen.

Im Fahndungsbüro werden die in- und ausländischen Fahndungsblätter verarbeitet.

e) Anzeigebüro

§ 30. Im Anzeigebüro werden Strafanzeigen und Meldungen von polizeilichem Interesse entgegengenommen.

f) Strafregister und Gefangenenkontrolle

§ 31. Das Polizeikommando führt das kantonale Strafregister sowie eine Kontrolle der im Kanton Zürich verhafteten Personen.

3. Wachtdienst

§ 32. Die Wachtmannschaft ist eingeteilt in Tag-, Nacht-, Transport- und Pikettwache. Sie versieht den Wachtdienst in der Polizeikaserne, in den Polizeiposten und in den kantonalen Verwaltungsgebäuden. Im weiteren führt sie die ihr zugeteilten Aufträge aus.

§ 33. Die Wacht- und Postenchefs sind für rechtzeitigen Dienstantritt der Mannschaft sowie deren vorgeschriebene Ausrüstung und Bewaffnung, die richtige Ausführung des Dienstes und die rechtzeitige Ablösung verantwortlich. Sie haben sich durch gelegentliche Kontrollen von der vorschriftsgemässen Erfüllung des Dienstes zu überzeugen.

§ 34. Die Wachtchefs unterstützen den Feldweibel in seiner Tätigkeit als Kasernenchef. Ihnen unterstehen die Wache und die kasernierte Mannschaft.

§ 35. Die Wachtchefs haben insbesondere:

a) die Arrestantenkontrolle und die Arrestantenregistratur zu führen;

b) die Effekten beim Ein- und Ausgang der Arrestanten genau zu kontrollieren und einzutragen;

c) die eingetragenen Arrestationsrapporte mit den weiteren Akten ohne Aufschub an die Geschäftskontrolle weiterzuleiten;

d) die angeordneten Transporte und Vorführungen unverzüglich vollziehen zu lassen;

e) täglich dem Polizeikommando einen Verhaftsrapport abzuliefern und über die ihnen während der Nacht gemeldeten Vorfälle Bericht zu erstatten.

§ 36. Die Wacht- und Postenchefs haben täglich Wachtrapporte zu erstellen und wichtige Vorkommnisse zu melden.

§ 37. Die Wachtmannschaft darf das Wachtlokal nur mit Erlaubnis der Wacht- und Postenchefs verlassen.

Nach Erledigung ihrer Aufgaben hat die Wachtmannschaft unverzüglich in das Wachtlokal zurückzukehren. Vollzugsberichte sind sofort zu erstellen.

§ 38. Arrestanten sind auf den Polizeiposten zu verpflegen. Der Besuch von Wirtschaften mit Arrestanten ist untersagt.

§ 39. Die im Dienst stehenden Wacht- und Postenchefs sowie die ihnen zugeteilte Wachtmannschaft haben in ständiger Bereitschaft zu sein.

§ 40. Die Schildwache darf ihren Posten vor erfolgter Ablösung nicht verlassen. Sitzen und Rauchen sind verboten.

§ 41. Die Mannschaft der abgelösten Wache hat bis zum nächsten Dienstantritt ihre Ausrüstung in Ordnung zu bringen und das Dienstverrichtungsbuch nachzuführen.

§ 42. Disziplinarvergehen sind durch die Wacht- und Postenchefs dem Polizeikommando zu verzeigen.

4. Transportdienst

§ 43. Als Polizeitransporte gelten die begleiteten und unbegleiteten Beförderungen von:

1. gerichtspolizeilichen Arrestanten,

2. administrativpolizeilichen Gefangenen,

3. Bedürftigen.

§ 44. Die Polizeitransporte erfolgen nach den Bestimmungen von Bund und Kanton FN10.

§ 45. Für jeden Transport ist ein Transportbefehl auszufertigen. Die Transportbefehle werden von den Statthalterämtern oder vom Polizeikommando ausgestellt.

§ 46. Personen, welche unbegleitet mit der Bahn transportiert werden, sind vorschriftsgemäss in der Zelle des Gepäckwagens einzuschliessen unter Meldung an das Zugspersonal und Bekanntgabe des Bestimmungsortes.

Der bei der Abgangsstation abgestempelte Transportschein sowie der Transportbefehl sind samt allfälligen Effekten dem Zugspersonal zu übergeben.

Weibliche Personen dürfen mit Männern zusammen nicht unbegleitet transportiert werden.

§ 47. Fluchtgefährliche werden in Begleitung eines Polizeiorgans transportiert, ebenso Personen, deren Zustand (Jugend, Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit usw.) es als angezeigt erscheinen lässt.

Der Begleiter ist für den Transport verantwortlich. Er hat die Person samt den allfälligen Akten und Effekten der im Transportbefehl angeführten Amtsstelle abzuliefern und dafür eine Bescheinigung zu verlangen. Sofern kein anderer Befehl vorliegt, sind Transporte in Zivilkleidung auszuführen.

In der Regel erfolgt der Transport in der dritten Wagenklasse FN13. Beim Transport in der Zelle des Gepäckwagens hat sich der Begleiter in diesem aufzuhalten. Er ist für die sichere Unterbringung der zu transportierenden Person verantwortlich.

§ 48. Es ist nach Tunlichkeit zu vermeiden, mit der zu transportierenden Person über die Untersuchung zu sprechen. Es ist untersagt, unberufene Personen mit dem Arrestanten in Verbindung treten zu lassen.

Geständnisse und Angaben von Bedeutung sind dem Polizeikommando auf dem Dienstweg zu melden.

§ 49. Die Fesselung von Personen ist statthaft:

1. auf besonderen Befehl des den Transport anordnenden Beamten;

2. bei Widersetzlichkeit oder begründetem Fluchtverdacht;

3. beim Transport von Schwerverbrechern.

§ 50. Bei jeder Übernahme eines Arrestanten ist eine gründliche Kleideruntersuchung vorzunehmen. Die zur Ablieferung gelangenden Effekten sind auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen.

Tatbestandsgegenstände, Wertsachen und Geld sind vom Begleiter mitzuführen.

§ 51. Entwichene Gefangene sind solange zu verfolgen, als begründete Aussicht für deren Einbringung besteht.

Bleibt die Verfolgung ergebnislos, so sind unverzüglich der nächste Polizeiposten und das Polizeikommando zu verständigen.

5. Abkommandierungen

§ 52. Über die Zuteilung von Korpsangehörigen an Strafuntersuchungs- und Verwaltungsbehörden befindet die Polizeidirektion.

III. Ausbildung

§ 53. Die Polizeirekruten werden in der Rekrutenschule von 12 bis 14 Monaten Dauer für den Polizeidienst vorbereitet. Das Ausbildungsprogramm umfasst theoretische und militärische Ausbildung, körperliche Erziehung und praktischen Polizeidienst.

Eine erste Prüfung über die geistigen und körperlichen Fähigkeiten wird nach Ablauf von sechs Monaten abgenommen; eine Schlussprüfung beendigt die Rekrutenschule.

Die Prüfungsresultate und die Führung im allgemeinen sind massgebend für die Aufnahme in das Polizeikorps.

§ 54. Das Polizeikommando ist für die weitere Ausbildung des Korps verantwortlich. Zu diesem Zweck veranstaltet es Kurse und Vorträge.

Korpsangehörige können zum Besuch von Schulen, Kursen, Vorträgen sowie zu in- und ausländischen Amtsstellen kommandiert werden.

§ 55. Das in der Rekrutenschule angelegte Theoriematerial ist Eigentum des Staates.

IV. Tätigkeit der Kantonspolizei als Kriminalpolizei

1. Allgemeines

§ 56. Die Kriminalpolizei hat zur Aufgabe: Verhütung von strafbaren Handlungen, Feststellung des Tatbestandes in Strafsachen und aussergewöhnlichen Todesfällen sowie Fahndung nach der Täterschaft.

Die Spuren der Tat sind aufzunehmen, zu sichern und auszuwerten. In wichtigeren Fällen sind Tatortphotographien und Situationspläne zu erstellen. Über das Ergebnis der polizeilichen Feststellungen ist unverzüglich zu rapportieren.

§ 57. Die polizeilichen Feststellungen sind so zu fördern, dass die Strafsache möglichst bald vom Untersuchungsbeamten übernommen werden kann.

§ 58. Bei schweren Verbrechen und unabgeklärten aussergewöhnlichen Todesfällen haben ausser dem Stationierten auf dem Tatort zu erscheinen:

1. der diensttuende Polizeioffizier;

2. die Unfallgruppe, bestehend aus einem Photographen, einem Zeichner und einem Funktionär des Erkennungsdienstes;

3. ein Angehöriger des Spezialdienstes;

4. erforderlichenfalls ein Diensthundeführer mit Spurenhund.

Die Untersuchungsbehörde ist zu verständigen.

§ 59. Bei Verbrechen gegen Leib und Leben und bei aussergewöhnlichen Todesfällen ist auf Weisung des Bezirksanwaltes oder des Polizeioffiziers der Bezirksarzt oder ein Vertreter des Gerichtlichmedizinischen Institutes FN14 der Universität Zürich beizuziehen.

§ 60. Sind die Mitwirkung des Erkennungsdienstes oder die Anordnung aussergewöhnlicher Fahndungsmassnahmen angezeigt, so hat dies der Stationierte sofort dem Polizeikommando zu melden.

Bei schweren Verbrechen hat das Polizeikommando sofort die Polizeidirektion und die Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen. Bei Ereignissen von besonderer Bedeutung (Naturkatastrophen, schwere Eisenbahnunglücke usw.) sind ausserdem die Mitglieder des Regierungsrates zu orientieren.

§ 61. Die Ausübung der Kriminalpolizei in den Städten Zürich und Winterthur erfolgt nach den vom Kantonsrat genehmigten Vereinbarungen zwischen dem Regierungsrat und den Stadträten von Zürich und Winterthur FN6.

2. Verhaftung, Hausdurchsuchung und Leibesvisitation

§ 62. Bei Verhaftungen und Hausdurchsuchungen sind die Bestimmungen des Gesetzes betreffend den Strafprozess FN2 zu beachten. Vorbehalten bleiben Untersuchungen, welche in Anwendung des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege FN9 durchzuführen sind.

§ 63. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Niemand darf verhaftet werden ausser in den vom Gesetz bezeichneten Fällen und unter den vom Gesetz vorgeschriebenen Formen.

§ 64. In der Regel darf eine Verhaftung nur auf Grund eines von einer zuständigen Behörde oder von einem zuständigen Beamten (Regierungsrat, Direktor der Polizei, Staatsanwalt, Untersuchungsbeamter, Offiziere des kantonalen Polizeikorps, Gerichte) erlassenen Haftbefehles vorgenommen werden.

§ 65. Ohne Haftbefehl sind zu verhaften:

1. die zur Verhaftung ausgeschriebenen und streckbrieflich verfolgten sowie die ausgewiesenen Personen;

2. Personen, die bei der Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens betroffen werden;

3. Personen, die eines Verbrechens oder Vergehens überwiesen oder dringend verdächtigt sind, sofern die Verhaftung wegen Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr als geboten erscheint.

§ 66. Der bei einer Übertretung Betroffene ist nur dann zu verhaften, wenn er im Kanton keinen festen Wohnsitz hat oder wenn er über Namen, Herkunft und Wohnort sich nicht ausweisen und nicht sofort für Busse und allfällige Kosten Sicherheit leisten kann oder wenn er trotz Aufforderung von der Übertretung nicht absteht.

§ 67. Vorübergehend sind in Gewahrsam zu nehmen Geisteskranke, die sich oder anderen gefährlich werden können, Betrunkene, die durch ihren Zustand Ärgernis erregen, sowie Personen, welche die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährden (Bettler, Landstreicher usw.).

§ 68. Dem Verhafteten sind ohne Verzug alle Gegenstände abzunehmen, die er auf sich trägt. Ebenso ist er auf Gegenstände, die mit einer strafbaren Handlung in Beziehung stehen, zum Zwecke der sofortigen Beschlagnahme zu untersuchen. Das Beseitigen oder Vernichten von solchen Gegenständen ist unter allen Umständen zu verhindern. Die verhaftete Person ist streng zu überwachen. Die Fühlungnahme mit Drittpersonen, wodurch der Zweck der Verhaftung oder der Untersuchung vereitelt oder beeinträchtigt werden könnte, ist zu verhindern.

§ 69. Jedes unnötige Aufsehen ist zu verhüten. Verhaftete sind korrekt zu behandeln und vor Angriffen Dritter zu schützen. Ebenso ist darauf zu achten, dass sich Verhaftete kein Leid antun.

Misshandlungen und Erwiderung von Beschimpfungen sind verboten.

§ 70. Von jeder Verhaftung ist der zuständigen Behörde sofort Mitteilung zu machen. Bestehen Zweifel an der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Verhafteten, so ist darüber Meldung zu erstatten.

§ 71. Verhaftungen ausserhalb des Kantons dürfen vorbehältlich der gesetzlich zulässigen Nacheile nur mit Bewilligung der zuständigen auswärtigen Amtsstelle vorgenommen werden.

§ 72. Das Hausrecht ist verfassungsmässig gewährleistet. Eine Hausdurchsuchung darf nur in den gesetzlich bestimmten Fällen unter Wahrung der vorgeschriebenen Form vorgenommen werden.

Wenn eine Hausdurchsuchung notwendig wird, so ist darüber die Untersuchungsbehörde zu verständigen, damit diese selbst das Erforderliche anordnen kann.

Ist Gefahr im Verzug, so ist die Polizei berechtigt, selbst eine Hausdurchsuchung vorzunehmen.

Hausdurchsuchungen zum Zwecke der Feststellung oder der Verhinderung einer Übertretung dürfen gegen den Willen der Bewohner nur ausnahmsweise vorgenommen werden. Sofern nicht Gefahr im Verzug ist, muss der Gemeindeammann, in Zürich und Winterthur ein weiterer Polizeifunktionär, zugezogen werden.

§ 73. Zur Hausdurchsuchung ist die Person, deren Räumlichkeiten durchsucht werden, oder wenn sie sich nicht zur Stelle befindet, ein Verwandter, Hausgenosse oder eine andere Urkundsperson beizuziehen.

§ 74. Zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Festtagen darf eine Hausdurchsuchung nur vorgenommen werden, wenn dringende Gefahr im Verzug ist.

§ 75. Die Hausdurchsuchung ist gründlich und nach einem bestimmten Plan vorzunehmen. Sie ist mit aller Schonung der Bewohner und Sachen durchzuführen.

Verschlossene Räume dürfen erst nach erfolgloser Aufforderung an deren Inhaber mit Gewalt geöffnet werden.

§ 76. Vor und während der Hausdurchsuchung sind die nötigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen, um das Entweichen der aufzusuchenden Person oder das Entfernen und Verändern von Sachen zu verhindern.

Aus- und Eingänge sind bei der Hausdurchsuchung zu überwachen.

§ 77. Über jede Hausdurchsuchung ist ein ausführlicher Bericht zu erstellen, in welchem aufzuführen ist, welche Sachen beschlagnahmt und wo sie aufgefunden worden sind.

§ 78. Für die Hausdurchsuchung auf dem Gebiet eines anderen Kantons ist stets die vorherige Bewilligung der zuständigen Untersuchungsbehörde einzuholen.

§ 79. Eine Leibesvisitation darf nur an einer verhafteten oder einer dringend eines Verbrechens oder Vergehens verdächtigen Person vorgenommen werden.

Die Visitation ist gründlich vorzunehmen. Alle Kleidungsstücke sind zu durchsuchen. Wenn es nötig erscheint, sind die Leibesöffnungen und Körperhöhlen durch einen Arzt zu untersuchen.

Leibesvisitationen weiblicher Verhafteter dürfen nur durch Frauen vorgenommen werden.

V. Der Gebrauch der Schusswaffe

§ 80. Der Dienst der Polizei erfolgt bewaffnet.

§ 81. Die Polizei hat, wenn andere verfügbare Mittel nicht ausreichen, in einer den Umständen angemessenen Weise von der Waffe Gebrauch zu machen,

1. wenn sie mit einem gefährlichen Angriff unmittelbar bedroht oder gefährlich angegriffen wird,

2. wenn andere Personen mit einem gefährlichen Angriff unmittelbar bedroht oder gefährlich angegriffen werden,

3. wenn die dienstlichen Aufgaben nicht anders als durch Waffengebrauch auszuführen sind, insbesondere


§ 82. Dem Schusswaffengebrauch hat ein deutlicher Warnruf vorauszugehen, sofern der Zweck und die Umstände es zulassen.

Ein Warnschuss darf nur abgegeben werden, sofern die Umstände die Wirkung eines Warnrufes vereiteln.

§ 83. Die Polizei hat dem durch Waffengebrauch Verletzten den nötigen Beistand zu leisten.

In jedem Fall von Waffengebrauch ist dem Vorgesetzten unverzüglich Meldung zu erstatten.

VI. Rapport- und Kontrollwesen

§ 84. Der Stationierte hat folgende Registraturen und Dienstbücher zu führen:

1. eine Geschäftskontrolle, in welcher die Aufträge einzutragen sind;

2. ein alphabetisches Kartenregister mit den Namen der Beschuldigten und Verletzten und der Art des Geschäftes (die Stationierten der Städte Zürich und Winterthur sind von der Führung dieses Registers ausgenommen);

3. Aktendossiers, in welchen die Rapportkopien abgelegt werden;

4. ein alphabetisches Register der laufenden Fahndungen;

5. ein Dienstverrichtungsbuch (die Stationierten der Städte Zürich und Winterthur sind hievon ausgenommen);

6. Verzeichnisse über Verhaftungen, Transporte, Aufenthaltsausforschungen und Verzeigungen.

Zur Führung einer Geschäftskontrolle sind überdies die zum Spezialdienst und Nachrichtendienst kommandierten Korpsangehörigen verpflichtet.

§ 85. Im Polizeirapport sind alle Feststellungen klar, übersichtlich und sachlich zusammenzufassen. Nebensächliches ist wegzulassen. Eigene Wahrnehmungen und fremde Angaben sind auseinanderzuhalten. Die Rapporterstattung erfolgt im übrigen nach besonderen Dienstvorschriften.

§ 86. Die Korpsangehörigen erstellen auf das Monatsende einen Monatsrapport, aus welchem sämtliche Dienstleistungen (Verhaftungen, Ausforschungen, Transporte, Verzeigungen, Anzeigen und Aufträge) ersichtlich sind.

Der Feldweibel und die Bezirkschefs erstellen anhand der Monatsrapporte die Generalrapporte.

§ 87. Die Bezirkschefs sind verpflichtet, in den Landbezirken vierteljährlich und in den Bezirken Zürich und Winterthur halbjährlich je eine Inspektion bei der stationierten Mannschaft durchzuführen. Über die Erfüllung der Dienstpflicht, das ausserdienstliche Verhalten, den Zustand der Bewaffnung, Ausrüstung und Bekleidung der Mannschaft ist schriftlich an das Polizeikommando zu berichten.

Die Inspektion der übrigen Mannschaft erfolgt nach besonderen Weisungen des Polizeikommandos.

VII. Ferien, Urlaub und Krankheit

§ 88. Die Ferien sind auf das ganze Jahr so zu verteilen, dass sich die Korpsangehörigen gegenseitig vertreten können und der Dienstbetrieb keine Einbusse erleidet.

§ 89. Die Polizeidirektion bestimmt die Anzahl der Ruhetage.

§ 90. FN15 Heiratet ein Korpsangehöriger, so sind ihm ohne Anrechnung auf die ordentlichen Ruhetage zwei Freitage zu gewähren.

Zur Teilnahme an der Bestattung eines nahen Verwandten werden dem Korpsangehörigen je nach der Entfernung des Bestattungsortes ein bis zwei Freitage gewährt ohne Anrechnung auf die ordentlichen Ruhetage.

§ 91. Die Stationierten haben ihre Urlaubsgesuche dem Bezirkschef, die übrigen Korpsangehörigen dem Polizeikommando einzureichen.

§ 92. Für die Meldepflicht bei Krankheit und Unfall gilt das Reglement des Regierungsrates über die Kostentragung bei Krankheit und Unfall der Angehörigen des Polizeikorps FN5.

VIII. Disziplinarwesen

§ 93. Als Disziplinarfehler gelten Übertretungen der im Gesetz betreffend das Kantonspolizeikorps FN3, in der Verordnung zu diesem Gesetz FN4, im Dienstreglement und in allgemeinen Weisungen enthaltenen Vorschriften sowie Zuwiderhandlungen gegen Befehle der Vorgesetzten.

§ 94. Disziplinarstrafen sind:

1. mündlicher oder schriftlicher Verweis mit oder ohne Eintrag in der Strafkontrolle;

2. für Kasernierte Konsignierung bis zu sechs Tagen bei Widerhandlungen gegen die Kasernenordnung;

3. Ordnungsbusse;

4. Androhung der Entlassung;

5. strafweise Versetzung in das provisorische Anstellungsverhältnis mit Kündigungsfrist von 14 Tagen;

6. disziplinarische Entlassung.

§ 95. Die Disziplinargewalt steht der Polizeidirektion, gegenüber den Offizieren dem Regierungsrat zu; in den Fällen von § 94 Ziffern 1 bis 4 spricht gegenüber Unteroffizieren, Gefreiten, Soldaten und Rekruten das Polizeikommando, gegenüber Offizieren die Polizeidirektion die Strafen aus.

Den Betroffenen ist Vorhalt zu machen und Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben.

§ 96. Gegen Disziplinarentscheide ist das Rechtsmittel des Rekurses zulässig. Der Rekurs ist innert zehn Tagen FN12 von der Eröffnung des Disziplinarentscheides an schriftlich und begründet bei der vorgesetzten Behörde einzureichen. FN11

IX. Schlussbestimmung

§ 97. Dieses Reglement hebt das Dienstreglement vom 15. März 1911 auf. Es tritt am 1. April 1951 in Kraft.

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FN1 OS 38, 596 und GS IV, 78. Vom Regierungsrat erlassen.
FN2 321.
FN3 551.1.
FN4 551.11.
FN5 551.137.
FN6 551.152, 551.151.
FN7 850.1, §§ 57, 59 und 60; 331, § 11.
FN8 SR 311.0.
FN9 SR 312.0.
FN10 SR 354.1.
FN11 Gegen vorzeitige Entlassung, Einstellung im Amte und Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis ist gemäss § 74 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (175.2) der Rekurs an das Verwaltungsgericht zulässig.
FN12 Heute 20 Tage gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 (175.2).
FN13 Heute zweite Wagenklasse.
FN14 Heute Institut für Rechtsmedizin.
FN15 Vgl. RRB Nr. 102 vom 8. Januar 1986. In Kraft seit 1. Januar 1986.
FN16 Aufgehoben durch RRB vom 24. Januar 1996 (OS 53, 326). In Kraft seit 24. Januar 1996.