Verordnung
über die Organisation des Obergerichtes
(vom 30. Juni 1976) FN1

Das Obergericht des Kantons Zürich,

in Anwendung von § 49 des Gerichtsverfassungsgesetzes FN3,

verordnet:

A. Organe des Obergerichtes

§ 1. Das Obergericht erfüllt seine Aufgaben teils als Gesamtbehörde, teils in der erforderlichen Zahl von Zivil- und Strafkammern, einer Anklagekammer, einer Revisionskammer und einer Verwaltungskommission.

Ausserdem werden Justizverwaltungsgeschäfte des Obergerichtes durch diese Verordnung dem Obergerichtspräsidenten, dem Obergerichtsschreiber, den Notariatsinspektoren, dem Betreibungsinspektor und dem Rechnungssekretär sowie der Bibliothekkommission, den Kommissionen für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten und der Notariatskandidaten sowie den Präsidenten dieser Kommissionen zur Erledigung übertragen.

B. Das Obergericht als Gesamtbehörde (Gesamtgericht)

§ 2. Das Obergericht konstituiert sich jeweils nach seiner Gesamterneuerung für den Rest des Kalenderjahres und sodann je am Jahresende für das folgende Jahr, im letzten Jahr einer Amtsperiode bis zu deren Ablauf.

§ 3. Das Gesamtgericht wählt bei seiner Konstituierung auf die gleiche Dauer:

a) seinen Präsidenten;

b) den ersten und als Präsidenten der Zivil- und Strafkammern die erforderlichen weiteren Vizepräsidenten;

c) den Präsidenten der Anklagekammer;

d) den Präsidenten der Bibliothekkommission;

e) den Präsidenten des Geschworenengerichtes und dessen Stellvertreter;

f) den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Handelsgerichtes;

g) den Präsidenten des Versicherungsgerichtes und dessen Stellvertreter;

h) den Obmann des Schiedsgerichtes in Krankenversicherungsstreitigkeiten und dessen Stellvertreter.

§ 4. Das Gesamtgericht beschliesst bei seiner Konstituierung über die Zuteilung seiner Mitglieder und Kanzleibeamten an die Kammern und Kommissionen des Obergerichtes sowie an die angegliederten Gerichte.

Bei Bedarf haben die Mitglieder und Kanzleibeamten des Obergerichtes nach Möglichkeit auch bei andern Kammern und bei angegliederten Gerichten mitzuwirken. Nötigenfalls trifft der Obergerichtspräsident die entsprechenden Anordnungen.

§ 5. Das Gesamtgericht bestimmt bei seiner Konstituierung die Verteilung der Geschäfte und Aufgaben an die Kammern, soweit sie nicht schon in dieser Verordnung festgelegt ist.

Wird die Behandlung gleichartiger Geschäfte mehreren Zivil- oder Strafkammern nebeneinander übertragen, so wird mit der Konstituierung je einer ihrer Präsidenten dazu bestimmt, die Zuteilung unter den Kammern vorzunehmen.

Betrifft eine Streitsache den Geschäftsbereich verschiedener Kammern oder sind mehrere, in den Geschäftsbereich verschiedener Kammern fallende Geschäfte ihrer Natur nach eng verbunden, so kann eine einzige Kammer zur Behandlung zuständig erklärt werden. Die Zuteilung erfolgt durch Vereinbarung der Präsidenten der betreffenden Kammern oder nötigenfalls durch die Verwaltungskommission.

§ 6. Das Gesamtgericht ist ferner für folgende Wahlen zuständig:

a) der Ersatzrichter, die es gemäss § 38 Abs. 2 GVG FN3 bezeichnen kann;

b) des Obergerichtsschreibers und eines oder zweier Stellvertreter;

c) der Gerichtsschreiber des Geschworenengerichtes und des Handelsgerichtes;

d) der Obergerichtssekretäre, wobei die Zahl der Sekretäre mit besonderen Aufgaben jene der übrigen nicht übersteigen darf;

e) des Rechnungssekretärs;

f) eines oder zweier Notariatsinspektoren und des Betreibungsinspektors sowie deren Stellvertreter;

g) der Präsidenten, der Mitglieder und der Ersatzleute der Kommissionen für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten und der Notariatskandidaten;

h) des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der weiteren vom Obergericht zu bezeichnenden Mitglieder und Ersatzleute der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte;

i) eines Mitgliedes der Aufsichtskommission der Witwen- und Waisenstiftung für Verwaltungs- und Gerichtsbeamte.

Das Gesamtgericht schlägt ferner dem Regierungsrat zwei Mitglieder der Verwaltungskommission der Beamtenversicherungskasse vor.

§ 7. Das Gesamtgericht ist sodann zuständig für folgende Geschäfte und Aufgaben:

a) Erlass von Verordnungen und anderen allgemein verbindlichen Anordnungen;

b) Verabschiedung des Rechenschaftsberichtes und des Voranschlages der Rechtspflege:

c) Beschlussfassung im Verkehr mit dem Kantonsrat und dem Regierungsrat als Gesamtbehörden;

d) Aufsicht über die Kammern des Obergerichtes sowie die ihm angegliederten Gerichte und Kommissionen;

e) Bewilligung an Bezirksgerichte, ständige Abteilungen mit drei Richtern zu bilden;

f) Umwandlung nebenamtlicher in vollamtliche Stellen von Bezirksrichtern und Bezirksgerichtspräsidenten;

g) Erteilung und Entzug des Fähigkeitszeugnisses für den Rechtsanwaltsberuf sowie Entzug der Bewilligung an Anwälte mit Fähigkeitszeugnissen anderer Kantone, ihren Beruf im Kanton Zürich auszuüben;

h) Erteilung der Wahlfähigkeitszeugnisse für Notare und der Ausweise für Notar-Stellvertreter;

i) Urlaubsgesuche von Mitgliedern des Obergerichtes für mehr als drei Monate, sofern sie nicht wegen Krankheit oder Unfall gestellt werden;

k) Behandlung von Anfragen und Anregungen von Mitgliedern des Obergerichtes;

l) Justizverwaltungsgeschäfte, die dem Gesamtgericht von der Verwaltungskommission überwiesen werden.

An der Aufsicht über die dem Obergericht unterstellten Gerichte und Amtsstellen beteiligen sich sämtliche Mitglieder des Obergerichtes durch jährliche Visitationen.

§ 8. Das Gesamtgericht hält so oft Sitzungen ab, als die Geschäfte es erfordern. Den Vorsitz führt der Obergerichtspräsident, bei dessen Verhinderung der erste Vizepräsident. Das Gesamtgericht ist beschlussfähig, wenn die absolute Mehrheit der Mitglieder des Obergerichtes mitwirkt. Der Obergerichtspräsident beruft Ersatzrichter ein, soweit dies für die Beschlussfähigkeit erforderlich ist.

Für Ergänzungen der Konstituierung gemäss den §§ 4 und 5 dieser Verordnung im Laufe ihrer Geltungsdauer sowie für die in den §§ 6 Abs. 2, 7 und 8 dieser Verordnung angeführten Geschäfte ist bei Einstimmigkeit der Zirkularweg zulässig.

C. Die Zivil- und Strafkammern

§ 9. Zur Behandlung der dem Obergericht als Zivilgericht und als Strafgericht gemäss den §§ 43, 44 und 53 Abs. 2 GVG FN3 zukommenden Aufgaben, ausgenommen die Entscheidung über Wiederaufnahmegesuche gegen Urteile des Geschworenengerichtes und der Strafkammern, wird die erforderliche Zahl von Zivil- und Strafkammern gebildet.

§ 10. Als Rekursinstanz gegenüber Entscheiden der erstinstanzlichen Aufsichtsbehörden über Beschwerden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, in gemeindeammannamtlichen und Viehverschreibungssachen sowie in Sachen der Grundbuchämter, Notariate und des Schiffsregisteramtes wird im Konstituierungsbeschluss eine Zivilkammer bezeichnet.

§ 11. Zur Behandlung der einzelnen Rechtssachen werden die Zivil- und Strafkammern mit drei Richtern besetzt, ausgenommen bei Rekursen gegen Beschlüsse der Anklagekammer, bei deren Beurteilung fünf Richter mitzuwirken haben.

Die Zivil- und Strafkammern halten in der Regel wöchentlich zwei Sitzungen ab. Beschlüsse können bei Einstimmigkeit auf dem Zirkularweg gefasst werden.

§ 12. Den Vorsitz in den Zivil- und Strafkammern führt der Obergerichtspräsident oder ein Vizepräsident, bei deren Verhinderung ein anderes Mitglied des Obergerichtes.

Diesen Vorsitzenden stehen gemäss § 125 Abs. 1 GVG FN3 die Befugnisse eines Gerichtspräsidenten im Sinne der §§ 121 bis 124 GVG FN3 zu.

Einzelrichter im summarischen Verfahren gemäss § 43 Abs. 2 Satz 2 GVG FN3 ist der Präsident der Zivilkammer, die gemäss Konstituierungsbeschluss die im Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst FN7 vorgesehenen Zivilklagen zu beurteilen hat, oder das von ihm bezeichnete Mitglied des Obergerichtes.

D. Die Anklagekammer

§ 13. Die Anklagekammer wird aus mindestens fünf Mitgliedern des Obergerichtes gebildet. Zwei weitere Mitglieder des Obergerichtes werden als Stellvertreter bestimmt.

§ 14. Zur Behandlung der einzelnen Rechtssachen wird die Anklagekammer mit drei Richtern besetzt.

Die Anklagekammer hält so oft Sitzungen ab, als die Geschäfte es erfordern. Sie beschliesst bei Einstimmigkeit auf dem Zirkularweg.

E. Die Revisionskammer

§ 15. Zur Behandlung der Wiederaufnahmegesuche gegen Urteile des Geschworenengerichtes und der Strafkammern des Obergerichtes wird die aus fünf Mitgliedern des Obergerichtes bestehende Revisionskammer gebildet. Der Obergerichtspräsident führt den Vorsitz. Ersatzleute sind sämtliche übrigen Mitglieder des Obergerichtes.

§ 16. Die Revisionskammer wird zur Behandlung der einzelnen Rechtssachen mit fünf Richtern besetzt. Sie trifft ihre materiellen Entscheidungen über die angerufenen Revisionsgründe in Sitzungen, die so oft abgehalten werden, als die Geschäfte es erfordern. Andere Beschlüsse können bei Einstimmigkeit auf dem Zirkularwege gefasst werden.

F. Die Verwaltungskommission

§ 17. Die Verwaltungskommission wird aus fünf Mitgliedern des Obergerichtes gebildet. Der Obergerichtspräsident und der erste Vizepräsident gehören ihr von Amtes wegen an. Fünf weitere Mitglieder des Obergerichtes werden als Ersatzleute gewählt. Bei Bedarf kann der Vorsitzende auch andere Mitglieder des Obergerichtes als ausserordentliche Ersatzleute beiziehen.

§ 18. Der Verwaltungskommission untersteht die gesamte Justizverwaltung, soweit sie nicht andern Behörden oder durch diese Verordnung dem Gesamtgericht oder andern Organen des Obergerichtes vorbehalten ist. Insbesondere überwacht sie als kantonale Aufsichtsbehörde die allgemeine Geschäftsführung der Notare, Grundbuch- und Konkursbeamten und ihrer Kanzleien sowie der Betreibungs-, Gemeindeammann- und Viehverschreibungsämter und des Schiffsregisteramtes; ihr steht das Weisungsrecht und die Disziplinargewalt zu.

Die Verwaltungskommission ist zur Behandlung aller sich aus dieser Stellung ergebenden Geschäfte zuständig, soweit nicht gemäss dieser Verordnung eine Delegation erfolgt ist.

Der Verwaltungskommission obliegt die Vorbereitung aller vom Gesamtgericht zu behandelnden Geschäfte mit dem Recht der Antragstellung. Sie kann dem Gesamtgericht auch Justizverwaltungsgeschäfte überweisen, die an sich in ihre Zuständigkeit fallen.

§ 19. Die Verwaltungskommission wird zur Behandlung der einzelnen Geschäfte mit fünf Richtern besetzt. Sie hält in der Regel wöchentlich eine Sitzung ab.

Bei Einstimmigkeit kann die Verwaltungskommission Geschäfte auf dem Zirkularwege erledigen.

§ 20. Der Obergerichtspräsident kann zu den Sitzungen der Verwaltungskommission weitere Mitglieder des Obergerichtes und Beamte der Rechtspflege mit beratender Stimme beiziehen.

§ 21. Die von der Verwaltungskommission im Rahmen ihrer Zuständigkeit gefassten Beschlüsse können nicht an das Gesamtgericht weitergezogen werden, ausser wenn die Zuständigkeit der Verwaltungskommission angefochten wird. In Disziplinarsachen bleibt der Rekurs an das Verwaltungsgericht nach Massgabe des Verwaltungsrechtspflegegesetzes FN2 vorbehalten.

G. Der Obergerichtspräsident

§ 22. Der Obergerichtspräsident leitet die Geschäfte des Gesamtgerichtes und der Verwaltungskommission. Er präsidiert die Revisionskammer und kann auch den Vorsitz in einer Zivil- oder Strafkammer oder in einem dem Obergericht angegliederten Gerichte übernehmen.

Er vertritt das Obergericht nach aussen, im schriftlichen Verkehr und sonst soweit tunlich zusammen mit dem Obergerichtsschreiber. Sein Stellvertreter in dieser Funktion sowie bei der Leitung der Geschäfte des Gesamtgerichtes und der Verwaltungskommission ist der erste Vizepräsident.

§ 23. Der Obergerichtspräsident überwacht die Pflichterfüllung der Mitglieder, der Ersatzleute und des Kanzleipersonals des Obergerichtes und sorgt für beförderliche Erledigung der Geschäfte, wobei ihm die Disziplinargewalt nach § 121 Abs. 2 GVG FN3 zusteht.

Im übrigen erfüllt der Obergerichtspräsident die ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben, insbesondere bezüglich der Bestellung von unentgeltlichen Rechtsvertretern vor Prozessbeginn gemäss § 88 ZPO FN6.

§ 24. Der Obergerichtspräsident, die Kammervorsitzenden und die Präsidenten der angegliederten Gerichte sowie der in dieser Verordnung erwähnten Kommissionen setzen die Taggelder an Ersatzleute, nebenamtliche Richter und Kommissionsmitglieder nach den geltenden Bestimmungen fest.

H. Der Obergerichtsschreiber, dessen Stellvertreter und die Obergerichtssekretäre

§ 25. Der Obergerichtsschreiber leitet den gesamten Kanzleidienst des Obergerichtes und der angegliederten Gerichte.

Er gehört als Protokollführer dem Gesamtgericht, der Verwaltungskommission und der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte mit beratender Stimme an und besorgt deren Sekretariatsarbeiten.

Er bereitet die Geschäfte der Verwaltungskommission vor, soweit sie nicht anderen Sachbearbeitern zugewiesen sind, und stellt in der Regel Antrag.

§ 26. Der Obergerichtsschreiber stellt das Personal der Obergerichtskanzlei bis auf die Dauer von drei Monaten an.

Er verfügt im Rahmen der bestehenden Vorschriften und der von der Verwaltungskommission zu erlassenden Richtlinien über bewilligte Kredite bis zum Betrage von Fr. 20 000 im Einzelfall und setzt die Anfangsbesoldungen der von den Bezirksgerichten in Dienst genommenen Beamten und Angestellten der Besoldungsklassen 1 bis 12 fest, sofern die Zustimmung aller Beteiligten zu dieser Besoldung vorliegt. Andernfalls oder wenn er von den Richtlinien der Verwaltungskommission abweichen will, legt er dieser das Geschäft zur Entscheidung vor.

Er trifft im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Beamten und mit Amtsübergaben die erforderlichen Anordnungen.

§ 27. Als Protokollführer des Gesamtgerichtes und der Verwaltungskommission führt der Obergerichtsschreiber bei Sitzungsgeschäften ein Handprotokoll. Anträge und Abstimmungsergebnisse hält er in einem Beschlussprotokoll fest, das zu den betreffenden Akten gelegt wird. Auf Beschluss des Gesamtgerichtes oder der Verwaltungskommission hat er ein ausführliches Beratungsprotokoll zu erstellen.

§ 28. Der Obergerichtsschreiber kann Gerichtskosten ganz oder zum Teil bis zu Fr. 5000 erlassen, wenn bereits ein Verlustschein für die Forderung der Gerichtskasse ausgestellt worden ist oder wenn die Mittellosigkeit eindeutig feststeht, ohne diese Voraussetzungen bis zum Betrage von Fr. 2000. Ohne Anrechnung an diese Beträge kann er vor dem 1. April 1975 auferlegte Untersuchungsverhaftskosten erlassen, wenn der Schuldner in wirtschaftlich bedrängten Verhältnissen lebt.

Der Obergerichtsschreiber kann nachgewiesenermassen unerhältliche Gerichtskosten bis zu Fr. 10 000 abschreiben.

§ 29. Die Stellvertreter des Obergerichtsschreibers vertreten diesen im Verhinderungsfalle in allen Funktionen und unterstützen ihn bei der Erledigung seiner Aufgaben.

Zur Bearbeitung bestimmter Geschäfte aus dem Aufgabenkreis des Obergerichtsschreibers können der Obergerichtspräsident oder die Verwaltungskommission Sekretäre als ausserordentliche Stellvertreter des Obergerichtsschreibers beiziehen.

§ 30. Die Gerichtsschreiber des Geschworenengerichtes und des Handelsgerichtes sowie die Obergerichtssekretäre üben die Funktionen der Urkundspersonen, Urteilsredaktoren, Antragsteller und Kanzleivorsteher bei Geschworenengericht, Handelsgericht, den Zivil- und Strafkammern, der Revisions- und der Anklagekammer des Obergerichtes und bei den weiteren angegliederten Gerichten und Kommissionen aus.

I. Das Notariatsinspektorat

§ 31. Zur Ausübung der Aufsicht über die Notariate, Grundbuchund Konkursämter sowie über das Schiffsregisteramt ist der Verwaltungskommission das Notariatsinspektorat angegliedert, dem gemäss dieser Verordnung noch weitere Aufgaben im Zusammenhang mit den genannten Ämtern zugewiesen sind.

Stehen zwei Notariatsinspektoren im Amt, teilt die Verwaltungskommission ihre Aufgaben auf.

§ 32. Jährlich mindestens einmal inspiziert der Notariatsinspektor jedes seiner Aufsicht unterstehende Amt und lässt die Rechnungsführung dieser Ämter durch den Notariatsrevisor prüfen. Über Inspektionen und Revisionen werden der Verwaltungskommission schriftliche Berichte erstattet.

Der Notariatsinspektor kann den genannten Ämtern im Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit Inspektionen und Revisionen, verbindliche Anweisungen, auch über die Rechtsanwendung, erteilen und Auflagen machen oder der Verwaltungskommission entsprechende Anträge stellen. Der Erlass allgemeiner Dienstanweisungen in der Form von Kreisschreiben und Reglementen ist der Verwaltungskommission vorbehalten.

§ 33. Der Notariatsinspektor bereitet die in die Zuständigkeit der Verwaltungskommission fallenden Geschäfte vor, soweit sie das Notariatswesen betreffen, und stellt in der Regel Antrag. Insbesondere stellt er Antrag bezüglich der Besoldungen der Notare und ihrer Stellvertreter sowie über alle Beförderungen des Notariatspersonals.

§ 34. Der Notariatsinspektor verfügt im Rahmen der bestehenden Vorschriften und der von der Verwaltungskommission zu erlassenden Richtlinien über bewilligte Kredite bis zum Betrage von Fr. 20 000 im Einzelfall und setzt die Anfangsbesoldungen der von den Notaren in Dienst genommenen Beamten und Angestellten der Besoldungsklassen 1 bis 11 fest, sofern die Zustimmung aller Beteiligten zu dieser Besoldung vorliegt. Andernfalls oder wenn er von den Richtlinien der Verwaltungskommission abweichen will, legt er dieser das Geschäft zur Entscheidung vor.

Er trifft im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Notariatsbeamten und mit Amtsübergaben die erforderlichen Anordnungen.

K. Das Betreibungsinspektorat

§ 35. Zur Ausübung der Aufsicht über die Betreibungs-, Gemeindeammann- und Viehverschreibungsämter ist der Verwaltungskommission das Betreibungsinspektorat angegliedert, dem gemäss dieser Verordnung noch weitere Aufgaben im Zusammenhang mit den genannten Ämtern zugewiesen sind.

§ 36. Der Betreibungsinspektor oder sein Adjunkt inspizieren jedes Amt jährlich mindestens einmal. Sie leisten in Verbindung damit oder auf Ansuchen eines Amtsinhabers Hilfe bei der Erledigung der Amtsgeschäfte.

Der Betreibungsinspektor kann den genannten Ämtern im Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit Inspektionen und Hilfeleistungen, verbindliche Anweisungen, auch über die Rechtsanwendung, erteilen und Auflagen anordnen oder der Aufsichtsbehörde entsprechende Anträge stellen. Der Erlass allgemeiner Dienstanweisungen in der Form von Kreisschreiben und Reglementen sowie der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs (Existenzminimum) ist der Aufsichtsbehörde vorbehalten.

§ 37. Der Betreibungsinspektor bereitet die in die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde fallenden Geschäfte vor und stellt in der Regel Antrag.

Der Betreibungsinspektor trifft im Zusammenhang mit dem Ausscheiden seiner Aufsicht unterstehender Beamten und mit Amtsübergaben die erforderlichen Anordnungen.

L. Der Rechnungssekretär

§ 38. Der Rechnungssekretär steht der Obergerichtskasse vor und leitet das Rechnungswesen für das Obergericht, die ihm angegliederten Gerichte und Kommissionen sowie für das Kassationsgericht.

Er bereitet zuhanden der Verwaltungskommission den Voranschlag der Rechtspflege vor und arbeitet die Jahresrechnung aus, beides mit Ausnahme des Abschnittes über die Notariate. Er beantragt der Verwaltungskommission die für diese Vorbereitungen nötigen Dienstanweisungen an die Bezirksgerichtskassen und ist befugt, zur Instruktion der Rechnungsführer der Bezirksgerichte Konferenzen einzuberufen. Ferner beantragt er der Verwaltungskommission die Herabsetzung oder den Erlass sowie die Abschreibung von Gerichtskosten und Bussen, soweit diese Geschäfte nicht an ihn delegiert sind.

§ 39. Dem Rechnungssekretär steht ein Kassier mit eigener Verantwortlichkeit für den Kassenverkehr bei.

Die Verwaltungskommission bezeichnet die Stellvertreter, die bei Verhinderung des Rechnungssekretärs oder des Kassiers deren Geschäfte unter eigener Verantwortlichkeit behandeln.

M. Die Bibliothekkommission

§ 40. Die Bibliothekkommission besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Der Obergerichtsschreiber gehört ihr von Amtes wegen an.

Die Bibliothekkommission führt die Aufsicht über die Bibliothek des Obergerichtes und entscheidet über die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften sowie der benötigten Materialien.

Sie stellt der Verwaltungskommission zuhanden des Gesamtgerichtes Antrag über den für Anschaffungen in den Voranschlag aufzunehmenden Betrag.

Sie erlässt im Einvernehmen mit der Verwaltungskommission eine Benützungsordnung.

§ 41. Die Bibliothekkommission verfügt selbständig über den im Voranschlag der Bibliothek bewilligten Kredit.

N. Die Kommission für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten

§ 42. Weist die Kommission für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten einen Bewerber in Anwendung der Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Rechtsanwaltsberuf FN4 ab oder zieht ein Bewerber seine Anmeldung zurück, so auferlegt ihm die Kommission die entsprechenden Gebühren nach den geltenden Bestimmungen.

O. Die Kommission zur Prüfung der Notariatskandidaten

§ 43. Weist die Kommission zur Prüfung der Notariatskandidaten einen Bewerber in Anwendung der Verordnung über den Erwerb des Wahlfähigkeitszeugnisses für Notare FN5 ab oder zieht ein Bewerber seine Anmeldung zurück, so auferlegt ihm die Kommission die entsprechenden Gebühren nach den geltenden Bestimmungen.

P. Behandlung von Ausstandsbegehren

§ 44. Über streitige Ausstandsbegehren entscheiden:

1. das Gesamtgericht, wenn sie sich gegen die Mitwirkung von Mitgliedern, Ersatzleuten und Kanzleibeamten des Obergerichtes in diesem Kollegium oder gegen eine ganze Kammer des Obergerichtes richten;

2. die Kammer, wenn sie sich gegen die Mitwirkung von Mitgliedern, Ersatzleuten und Kanzleibeamten des Obergerichtes in diesem Kollegium richten, wobei gleichviele Richter wie in dem Verfahren mitzuwirken haben, in welchem der Ausstand streitig ist;

3. das angegliederte Gericht oder die Kommission, wenn sie sich gegen die Mitwirkung von Kanzleibeamten des Obergerichtes in diesem Kollegium richten;

4. die Verwaltungskommission in allen anderen vom Obergericht zu beurteilenden Ausstandsfällen. Dies gilt insbesondere für streitige Ausstandsbegehren


Q. Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 45. Diese Verordnung tritt nach Genehmigung durch den Kantonsrat gleichzeitig mit dem Gesetz über die Revision des Verfahrens in Zivilsachen auf den 1. Januar 1977 in Kraft und ist in die Gesetzessammlung aufzunehmen. Die Verordnung über die Organisation des Obergerichtes vom 21. November 1962, abgeändert am 7. Dezember 1970, wird gleichzeitig aufgehoben.

Die Bestimmung über die Besetzung der Zivil- und Strafkammern (§ 11) gilt auch für bereits am Obergericht hängige Verfahren, sofern weder eine Haupt- oder Berufungsverhandlung stattgefunden hat noch ein Beschluss gefasst worden ist.

___________

FN1 OS 46, 352 und GS II, 147.
FN2 175. 2.
FN3 211.1.
FN4 215. 11.
FN5 242.1.
FN6 271.
FN7 SR 231.1.