Verordnung
betreffend die Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen
(vom 19.Dezember 1956) FN1

Das Obergericht des Kantons Zürich,

gestützt auf § 233 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes FN3,

verordnet:
§ 1. Die nachfolgenden Bestimmungen finden Anwendung auf die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen im Verfahren vor den Gerichten und der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte.

§ 2. Die Zeugen werden für Zeitverlust oder Verdienstausfall sowie für notwendige Barauslagen entschädigt.

§ 3. Für Zeitverlust erhalten die Zeugen Fr. 10 für jede angefangene Stunde. Hat der Zeitverlust einen Verdienstausfall zur Folge, der diesen Betrag übersteigt, so kann die Zeugenentschädigung nach billigem Ermessen erhöht werden. Der Zeuge kann zur Vorlegung von Belegen angehalten werden.

Entschädigt wird die Zeit, welche die Zeugen verwenden müssen, um der Vorladung Folge zu leisten, gegebenenfalls auch die Zeit, während welcher sie die berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können. Für einen Tag sind nicht mehr als neun Stunden zu vergüten.

§ 4. Als notwendige Barauslagen gelten:

a) die Kosten der Fahrt auf dem kürzesten Wege an den in der Vorladung bezeichneten Ort. Ersetzt wird in der Regel der Fahrpreis der billigsten Tarifklasse der öffentlichen Verkehrsmittel;

b) die Kosten der Mahlzeiten und des Übernachtens, falls der Zeuge der Vorladung wegen nicht zu Hause essen und nächtigen kann. Die Vergütung richtet sich nach den entsprechenden Ansätzen für Dienstreisen in den jeweils geltenden Vollziehungsbestimmungen des Obergerichtes zur Beamtenverordnung FN2;

c) notwendige Stellvertretungskosten, soweit sie nicht durch die Zeugenentschädigung gedeckt sind;

d) die Kosten einer wegen besonderer Umstände (Jugend, Krankheit, Gebrechen) notwendigen Begleitung eines Zeugen.

§ 5. Die Einvernahmen sollen so angesetzt werden, dass Zeitverlust und Barauslagen der Zeugen möglichst gering bleiben.

§ 6. Die Entschädigung wird nach der Einvernahme gegen Empfangsbescheinigung ausbezahlt.

Zeugen aus einem anderen Kanton oder dem Ausland können einen angemessenen Vorschuss für die ihnen nach § 4 entstehenden Kosten verlangen.

§ 7. Zeugen, die sich durch ihre Aussagen einer strafbaren Handlung verdächtig machen, kann die Entschädigung einstweilen vorenthalten werden; werden sie einer strafbaren Handlung überwiesen, so verwirken sie den Anspruch auf Entschädigung.

Die Verweigerung der Auszahlung und ihre Gründe sind zu protokollieren.

§ 8. Sachverständige und Dolmetscher werden nach Art und Umfang ihrer Bemühungen entschädigt.

§ 9. Erscheint dem Gericht im Zivilprozess oder im Privatstrafklageverfahren die Rechnung des Sachverständigen oder Dolmetschers als übersetzt, so hat es den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und hierauf über die Genehmigung oder Herabsetzung der Rechnung zu entscheiden.

In anderen Strafprozessen sowie in Verfahren der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte sind übersetzte Rechnungen von Amtes wegen herabzusetzen.

§ 10. Diese Verordnung, die im Amtsblatt zu veröffentlichen und in die Gesetzessammlung aufzunehmen ist, tritt am 1. Januar 1957 in Kraft.

Auf diesen Zeitpunkt wird die Verordnung des Obergerichtes betreffend Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen vom 9. Dezember 1911 aufgehoben.

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FN1 OS 40, 168 und GS II, 54.
FN2 211.21.
FN3 Heute § 202, 211.1.