Gesetz
betreffend den gewerbsmässigen Verkehr
mit Wertpapieren (Wertpapiergesetz)
(vom 22.Dezember 1912) FN1
I. Allgemeine Bestimmungen
§ 1. Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt aller gewerbsmässige Verkehr mit Wertpapieren; ausgenommen ist der Verkehr mit Wechseln, wechselähnlichen Papieren, Schuldbriefen und Gülten.
Den Wertpapieren gleichgestellt sind nicht wertpapiermässig verbriefte, massenweise emittierte Wertrechte. FN5
Der Regierungsrat kann den gewerbsmässigen Verkehr mit bestimmten Arten von Wertpapieren von der Unterstellung unter dieses Gesetz befreien, sofern ein angemessener Anlegerschutz gewährleistet oder nicht erforderlich ist. FN5
Bestehen Zweifel darüber, ob ein geschäftlicher Verkehr unter die Bestimmungen dieses Gesetzes falle, so entscheidet die Direktion der Volkswirtschaft.
§ 2. Wer gewerbsmässig den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren an der Börse oder ausserhalb derselben (ausserbörslich) betreiben oder vermitteln will, bedarf einer staatlichen Bewilligung
Die Bewilligung wird von der Direktion der Volkswirtschaft nach Einholung von Gutachten der ihr beigegebenen Börsenkommission, des Börsenkommissariates und des Vorstandes des Effektenbörsenvereins erteilt.
§ 3. Auf die Bewilligung haben nur Personen Anspruch, die über einen guten Leumund verfügen und die erforderlichen Fachkenntnisse besitzen. FN6
... FN4
Wird die Bewilligung einer Gesellschaft erteilt, so hat sie einen Vertreter zu bezeichnen, der wie sie selbst den Vorschriften dieses Gesetzes unterstellt ist.
Die Bewilligung wird nur an Personen oder Gesellschaften erteilt, die im Kanton ein Geschäftsdomizil haben. Die Direktion der Volkswirtschaft kann Ausnahmen bewilligen. FN6
§ 4. FN6 Personen und Gesellschaften, deren Geschäftsbetrieb reellen kaufmännischen Grundsätzen nicht entspricht, wird die Bewilligung verweigert.
Fällt eine Voraussetzung für die Bewilligung weg, wird diese entzogen.
§ 5. FN6 Bewilligungen werden erteilt:
a) für das Gewerbe eines Börsenmitglieds;
b) für den ausserbörslichen Verkehr mit Wertpapieren.
§ 6. Die Bewilligung wird erteilt gegen die Entrichtung einer jährlichen Staatsgebühr und gegen die Hinterlegung einer Realkaution bei der Finanzdirektion.
Die Staatsgebühr und die Realkaution werden von der Direktion der Volkswirtschaft festgesetzt. FN6
Die Kaution darf nur in leicht realisierbaren Vermögenswerten geleistet werden. Über die Annahme einer Kaution entscheidet die Direktion der Finanzen. FN6
Wird eine Kaution nach erfolgter Aufforderung nicht innert Monatsfrist ergänzt, so ist die Bewilligung als erloschen zu erklären.
§ 7. Die Kaution haftet für die Erfüllung der Verpflichtungen aus denjenigen Geschäften, für welche die Bewilligung erteilt wurde, ferner für allfällige Bussen. Sie ist in erster Linie für zivilrechtliche Ansprüche zu verwenden, in zweiter Linie für Bussen.
Eine Verordnung des Regierungsrates FN2 regelt das Verfahren über die Inanspruchnahme der Kautionen.
II. Börsenmitglieder FN6 und Effektenbörsenverein
§ 8. Das Börsenmitglied FN6 ist berechtigt, an der Börse Käufe oder Verkäufe von Wertpapieren auf eigenen Namen, gleichviel ob auf fremde oder eigene Rechnung, abzuschliessen.
An der Börse können Geschäftsabschlüsse über Wertpapiere nur durch die Börsenmitglieder FN6 vollzogen werden. Ihnen allein steht das Recht der Nachfrage und des Angebotes, des Ausrufens und des Zuschlagens zu.
§ 9. Mit Zustimmung der Direktion der Volkswirtschaft können Börsenmitglieder FN6 unter eigener Verantwortlichkeit sich an der Börse vertreten lassen.
Zur Vertretung sind nur solche Personen berechtigt, die im Geschäft des Börsenmitglieds einzeln oder kollektiv handlungsbevollmächtigt sind und den Vorschriften der §§ 3 und 4 entsprechen. FN6
§ 10. Die Börsenmitglieder bilden den Effektenbörsenverein, welcher die Zürcher Börse organisiert. FN6
Verzichtet der Effektenbörsenverein auf die Organisation des Handels mit bestimmten Arten von Wertpapieren ganz oder teilweise, so überträgt der Regierungsrat das Recht, diesen Handel zu betreiben, andern geeigneten, interessierten Organisationen. Dabei stellt der Regierungsrat für den Schutz der Anleger angemessene Bedingungen auf. Er kann sich insbesondere die Oberaufsicht vorbehalten. FN5
Sondervereinigungen, welche sich zu dem Zwecke bilden, die Vorschriften dieses Gesetzes zu umgehen, sind untersagt.
§ 11. Der Effektenbörsenverein ist verpflichtet, Statuten, Reglemente und Usanzen aufzustellen und dem Regierungsrat zur Genehmigung zu unterbreiten. Darin sind besondere Bestimmungen aufzunehmen:
a) über die Organisation des Effektenbörsenvereins;
b) über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel (Kotierung);
c) FN6 über die Notierung der Wertpapierkurse und ihre Veröffentlichung;
d) FN6 über die Transparenz und weitere dem Anlegerschutz dienende Massnahmen, wie Informationspflichten des Emittenten und Bestimmungen über die Rechnungslegung;
e) FN6 über die Zulassung von Börsenbesuchern.
§ 12. Wer die Zulassung eines Wertpapiers zum Börsenhandel wünscht, hat die Bewilligung des Effektenbörsenvereins einzuholen. Der Effektenbörsenverein kann die Zulassung widerrufen. Gegen Verfügungen des Effektenbörsenvereins ist der Rekurs an die Volkswirtschaftsdirektion zulässig. FN6
Die Direktion der Volkswirtschaft ist auch berechtigt, nach Anhörung des Vorstandes des Effektenbörsenvereins, des Börsenkommissariates und der Börsenkommission von sich aus die Zulassung eines Wertpapieres zu untersagen oder eine erfolgte Kotierung zu verbieten.
Für die Kotierung wird eine Gebühr erhoben. FN5
§ 13. FN6 Die Börsenmitglieder sind verpflichtet, ein Journal zu führen.
Die Einzelheiten der Journalführung werden durch Verordnung FN2 festgelegt.
§ 14. FN6 Jedem Käufer oder Verkäufer ist am Tage des Abschlusses ein Abschlussdokument auszustellen, welches dieselben Angaben enthält wie das Journal.
Die Abschlussdokumente sind während zehn Jahren aufzubewahren. Die Einzelheiten werden durch Verordnung FN2 festgelegt.
§ 15. Sofern nicht das Gegenteil ausbedungen wurde, ist dem Börsenmitglied FN6 gestattet, Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren durch Selbsteintritt in der Weise auszuführen, dass er sich verpflichtet, die Papiere, die er einkaufen soll, selbst als Verkäufer zu liefern oder solche, welche er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer zu übernehmen.
Auf dem Abschlussdokument ist ausdrücklich anzugeben, ob der Auftrag durch Selbsteintritt oder in Kommission ausgeführt worden ist. In letzterem Falle ist der Auftraggeber berechtigt, die Vorweisung der Abschlussdokumente zwischen dem Vermittler und dem Dritten zu verlangen.
§ 16. Den Börsenmitgliedern FN6 ist untersagt:
1. die Veranlassung von Scheinofferten und Scheingeschäften;
2. die Veranlassung von Wertpapierkursen, die mit Nachfrage und Angebot in Widerspruch stehen;
3. jede wissentliche oder leichtfertige Verbreitung falscher Nachrichten;
4. der Handel mit Coupons über noch nicht festgesetzte Dividenden;
5. FN6 der Handel mit zur Zeichnung aufgelegten Wertpapieren vor Ablauf der Zeichnungsfrist, sofern keine angemessene Publikation der Kurse stattfindet. Die Einzelheiten werden durch Verordnung FN2 festgelegt;
6. FN4
7. FN6 die Verpfändung der einem Dritten gehörenden Wertpapiere, sofern dieser nicht schriftlich der Verpfändung zugestimmt hat;
8. der Abschluss von Geschäften in Wertpapieren unter Ausnützung der Notlage, der Verstandesschwäche, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines andern;
9. der Abschluss von Geschäften in Wertpapieren mit unmündigen oder bevormundeten Personen;
10. der Abschluss von Termin- und Prämiengeschäften mit oder für Personen, deren Identität vom Beauftragten nicht zuvor festgestellt wird oder deren Mittellosigkeit beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit bei Entgegennahme des Auftrages dem Beauftragten bekannt ist oder bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein könnte;
11. der Abschluss von Komptantgeschäften zum Zwecke der Umgehung des verbotenen Termingeschäftes.
§ 17. FN6 Die Börsenmitglieder haben eine durch Verordnung FN2 festgelegte Realkaution zu hinterlegen und eine jährliche Staatsgebühr zu bezahlen.
Die Höhe der Staatsgebühr richtet sich nach dem Umsatz. Sie beträgt je Fr. 100 von einer Million Franken. Die Mindesthöhe wird durch Verordnung FN2 festgesetzt.
Die Volkswirtschaftsdirektion setzt die Staatsgebühr auf Grund der Umsatzziffern fest.
Im Falle der Zahlungseinstellung oder wenn die Kaution die vorgeschriebene Höhe nicht mehr erreicht, ist dem Börsenmitglied die Tätigkeit an der Börse untersagt.
III. Der ausserbörsliche Verkehr FN6
§ 18. FN6 Wer gewerbsmässig den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ausserhalb der Börse betreiben oder vermitteln will (ausserbörslicher Verkehr), bedarf einer staatlichen Bewilligung.
Die Bewilligung für das Gewerbe eines Börsenmitglieds schliesst auch diejenige für den ausserbörslichen Verkehr mit Wertpapieren ein.
§ 19. FN6 Die in den §§ 13-16 für die Börsenmitglieder aufgestellten Vorschriften gelten auch für den ausserbörslichen Verkehr mit Wertpapieren.
§ 20. FN6 Die Inhaber einer Bewilligung für den ausserbörslichen Verkehr mit Wertpapieren haben eine durch Verordnung FN2 festgesetzte Realkaution zu hinterlegen und eine jährliche Staatsgebühr zu bezahlen.
Die Höhe und die Festsetzung der Staatsgebühr richten sich nach § 17.
IV. Prämienloshandel
§§ 21-24. FN4
V. Stempelgebühren
§§ 25-29.
VI. Börsenkommissariat, Börsenkommission, Kursblatt
§ 30. Das Börsenkommissariat übt die staatliche Kontrolle über den diesem Gesetz unterstellten Verkehr mit Wertpapieren aus.
Das Börsenkommissariat steht unter der Leitung eines Börsenkommissärs, der durch den Regierungsrat gewählt wird. FN6
Soweit die Befugnisse und Verrichtungen des Börsenkommissariates nicht durch das gegenwärtige Gesetz geordnet sind, werden sie durch Verordnung FN2 des Regierungsrates festgesetzt.
Staatliche Kontrollaufgaben können vom Regierungsrat ganz oder teilweise an öffentliche oder private Stellen übertragen werden, die über geeignete fachliche Voraussetzungen verfügen. Die Einzelheiten werden durch Verordnung FN2 festgelegt. FN5
§ 31. Das Börsenkommissariat wacht über die Handhabung der Vorschriften dieses Gesetzes, der Statuten, Reglemente und Usanzen sowie über die vorschriftsgemässe Veröffentlichung der Wertpapierkurse.
Es kontrolliert die vorschriftsgemässe Eintragung des abgeschlossenen Geschäftes in das Börsenjournal und die Entrichtung der gesetzlichen Gebühren.
Der Börsenkommissär hat das Recht, zu jeder Zeit von den in den §§ 13, 19 und 22 dieses Gesetzes vorgeschriebenen Journalen, nebst den auf die Abschlüsse bezüglichen Belegen, Einsicht zu nehmen.
Auf Antrag des Börsenkommissariates können die Bewilligungsinhaber durch die Direktion der Volkswirtschaft angehalten werden, dieses Prüfungsmaterial in sein Amtslokal zu liefern. FN6
Auf Antrag des Börsenkommissariates kann die Direktion der Volkswirtschaft den Handel mit Wertpapieren und die öffentliche Auskündigung untersagen, wenn dies öffentliche Interessen gebieten. FN6
§ 32. FN6 Das Börsenkommissariat übt die unmittelbare Aufsicht über den diesem Gesetz unterstellten Verkehr aus; es ist verpflichtet, die Veröffentlichung solcher Wertpapierkurse, deren Aufstellung auf unstatthafte Weise versucht wird, zu untersagen.
§ 33. Den Verfügungen des Börsenkommissärs ist unweigerlich Folge zu leisten. Rekurse sind innerhalb fünf Tagen an die Direktion der Volkswirtschaft zu richten; die Einreichung des Rekurses hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 34. Den Mitarbeitern des Börsenkommissariates ist jede Spekulation mit und Vermittlung von Wertpapieren auf eigene Rechnung oder auf Rechnung Dritter untersagt. FN6
Sie sind zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses verpflichtet.
§ 35. Die Börsenkommission besteht aus dem Direktor der Volkswirtschaft als Präsident und weiteren sechs Mitgliedern, von welchen wenigstens zwei dem Effektenbörsenverein angehören müssen. Die Börsenkommissäre nehmen an den Sitzungen mit beratender Stimme teil.
Die Mitglieder der Börsenkommission werden vom Regierungsrat auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt.
§ 36. Der Börsenkommission liegt ob:
a) die Vorberatung und Begutachtung der vom Regierungsrat zu erlassenden oder zu genehmigenden Reglemente;
b) die Begutachtung der Erteilung oder des Entzuges von Bewilligungen im Sinne der §§ 2-5;
c) FN6 die Vernehmlassung über die nach diesem Gesetz zu erhebenden Gebühren und Kautionen;
d) FN6 die Festsetzung der an die Staatskasse zu entrichtenden Kotierungsgebühren;
e) die Erstattung von Gutachten zuhanden des Regierungsrates;
f) FN6 die Aufstellung von unverbindlichen Vorschlägen für die Wahl der Börsenkommissäre.
§ 37. Börsenmitglieder FN6 und andere Börsenbesucher, welche sich eines ungebührlichen Benehmens, einer illoyalen Handlungsweise oder einer Verletzung der auf die Börse bezüglichen Vorschriften schuldig gemacht haben, können von der Börse ausgeschlossen werden.
Einen Ausschluss von ein bis drei Tagen verfügt der Börsenkommissär; steht eine längere Dauer in Frage, so beschliesst die Börsenkommission.
§ 38. FN6 Durch Beschluss des Regierungsrates kann die Herausgabe eines offiziellen Kursblattes auf Staatskosten übernommen werden. FN3 Der Staat stellt die Börsenlokalität zur Verfügung.
VII. Straf- und Vollzugsbestimmungen
§ 39. FN6 Wer eine Tätigkeit gemäss § 2 ohne Bewilligung ausübt,
wer sich als Bewilligungsinhaber an der Börse durch eine Person vertreten lässt, die nicht den Voraussetzungen des § 9 entspricht,
wer als Bewilligungsinhaber die Vorschriften über die Journalführung verletzt,
wer als Bewilligungsinhaber die Vorschriften über die Ausstellung und Aufbewahrung der Abschlussdokumente verletzt,
wer als Bewilligungsinhaber gegen die Vorschriften des § 16 verstösst,
wird mit Busse von Fr. 200 bis Fr. 100 000, in schweren Fällen mit Haft bestraft. Die beiden Strafen können verbunden werden. Die Strafverfolgung ist Sache der Statthalterämter.
Ausserdem bleibt die Anwendung von § 37 vorbehalten.
§ 40. Der Volkswirtschaftsdirektion steht überdies das Recht zu, Personen, die sich wiederholt oder in grober Weise gegen Bestimmungen dieses Gesetzes oder dazu gehörender Verordnungen FN2 vergangen haben, die erteilte Bewilligung zeitweise oder dauernd zu entziehen.
§ 41. FN6 Die Bewilligungsinhaber haften solidarisch für die Zahlung der ihren Vertretern und Angestellten auferlegten Geldstrafen.
§ 42. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1913 in Kraft. Durch dasselbe wird das Gesetz betreffend den gewerbsmässigen Verkehr mit Wertpapieren vom 31. Mai 1896 aufgehoben.
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FN1 OS 29, 477 und GS VII, 458.
FN2 953.11.
FN3 Gemäss RRB vom 28. November 1913 wird das offizielle Kursblatt auf Staatskosten herausgegeben.
FN4 Aufgehoben durch G vom 27. September 1992 (OS 52, 302). In Kraft seit 1. Januar 1993 (OS 52, 308).
FN5 Eingefügt durch G vom 27. September 1992 (OS 52, 302). In Kraft seit 1. Januar 1993 (OS 52, 308).
FN6 Fassung gemäss G vom 27. September 1992 (OS 52, 302). In Kraft seit 1. Januar 1993 (OS 52, 308).