Verordnung
über die Bezirksanwaltschaften
(vom 17.Mai 1956) FN1
Der Regierungsrat,
in Ausführung der §§ 101, 102 und 105 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 29. Januar 1911 FN4 sowie in Anwendung von § 23 der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 FN3,
verordnet:
I. Der Geschäftsleiter
1. Wahl und Stellung
§ 1. Die Aufgaben des Geschäftsleiters obliegen dem ordentlichen Bezirksanwalt, in den Bezirken ohne besondere Bezirksanwaltschaften dem Statthalter.
Für die Bezirksanwaltschaften mit mehreren ordentlichen Bezirksanwälten ernennt der Regierungsrat aus deren Zahl einen Geschäftsleiter und einen oder mehrere Stellvertreter.
Die Bezirksanwaltschaft Zürich besteht aus mindestens drei Abteilungen und einer ihr angegliederten kantonalen Abteilung für Wirtschaftsdelikte. Für die Abteilungen der Bezirksanwaltschaft Zürich ernennt der Regierungsrat je einen Leiter und einen stellvertretenden Leiter aus den Reihen der Bezirksanwälte.
§ 2. Der Geschäftsleiter überwacht die Tätigkeit der Bezirksanwälte im Rahmen der nachstehenden Bestimmungen. Ihm ist das zur Besorgung der Kanzleigeschäfte beigegebene Personal unterstellt, soweit es sich nicht um Angehörige des kantonalen Polizeikorps handelt. Er vertritt die Bezirksanwaltschaft als Gesamtbehörde nach aussen.
Der Geschäftsleiter führt die Aufsicht über das Bezirksgefängnis.
Neben seinen besonderen Funktionen ist er als Bezirksanwalt tätig.
§ 3. Die Justizdirektion kann einzelne Funktionen des Geschäftsleiters seinem Stellvertreter übertragen.
2. Geschäftsleiter und Bezirksanwälte
§ 4. Der Geschäftsleiter besorgt die Zuteilung der Amtsräume an die einzelnen Bezirksanwälte. Er achtet auf die Einhaltung der Arbeitszeit und begutachtet alle übrigen personellen Geschäfte zuhanden der vorgesetzten Instanzen.
Neugewählte Untersuchungsbeamte werden durch ihn in ihr Amt eingeführt.
§ 5. Die eingehenden Geschäfte werden vom Geschäftsleiter daraufhin überprüft, ob die Amtsstelle örtlich und sachlich zuständig ist. Er lässt mangelhafte oder unklare Strafanzeigen ergänzen. Unaufschiebbare Untersuchungshandlungen ordnet er nötigenfalls selbst an.
Der Geschäftsleiter teilt die einzelnen Strafuntersuchungen den Bezirksanwälten zu und ordnet Brandtour und Transport. Er hat dabei die Eignung und die Arbeitsbelastung der Untersuchungsbeamten zu berücksichtigen.
Der I. Staatsanwalt kann einen Untersuchungsbeamten von der Übernahme der Brandtour oder des Transportes ausschliessen.
§ 6. Der Geschäftsleiter sorgt für die beförderliche Durchführung der Untersuchungen, insbesondere der Haftfälle. Er lässt sich nötigenfalls von den Bezirksanwälten über einzelne Untersuchungen berichten und kann die Umteilung eines Geschäftes an einen andern Bezirksanwalt anordnen oder die Untersuchung selbst übernehmen.
§ 7. Der Geschäftsleiter kann im Rahmen seiner Befugnisse den Bezirksanwälten Weisungen erteilen. Weisungen allgemeiner Art bedürfen der Genehmigung durch den I. Staatsanwalt.
§ 8. Der Geschäftsleiter leitet die bei ihm eingehenden Beschwerden gegen die Geschäftsführung der Bezirksanwälte an den I. Staatsanwalt weiter und gibt ihm von allen Feststellungen Kenntnis, welche das Einschreiten der Aufsichts- und Disziplinarinstanz notwendig oder wünschbar erscheinen lassen.
§ 9. Gegen die Anordnungen des Geschäftsleiters können die davon betroffenen Bezirksanwälte innert zehn Tagen beim I. Staatsanwalt schriftlich Beschwerde einreichen.
II. Die Bezirksanwälte
§ 10. Die Bezirksanwälte sind für die ordnungsgemässe und beförderliche Durchführung und Erledigung der ihnen zugeteilten Untersuchungen, insbesondere der Haftfälle, verantwortlich.
Sie haben die allgemeinen oder im Einzelfall erteilten Weisungen der Aufsichtsbehörden und des Geschäftsleiters zu befolgen.
Die Bezirksanwälte können den Geschäftsleiter um seinen Rat angehen.
§ 11. Die Justizdirektion fördert das Fachwissen der Untersuchungsbeamten durch:
a) die Verpflichtung einzelner oder aller Bezirksanwälte zum Besuch einschlägiger Vorlesungen oder Veranstaltungen der Universität Zürich;
b) die periodische Veranstaltung von Kursen während des Wintersemesters, deren Besuch sie für alle Untersuchungsbeamten obligatorisch erklären kann;
c) die vorübergehende Abordnung einzelner Untersuchungsbeamter zur Polizei;
d) Beiträge für den Besuch von Studienkursen und Tagungen der Fachverbände durch einzelne Untersuchungsbeamte.
Die den Untersuchungsbeamten gemäss lit. a-c entstehenden Auslagen sind ihnen nach den einschlägigen Vorschriften FN2 zu ersetzen.
III. Die Kanzlei
§ 12. Der Geschäftsleiter teilt den Untersuchungsbeamten das Kanzleipersonal zu. Die Kanzlei besorgt im übrigen nach seinen Weisungen und unter seiner Aufsicht insbesondere:
a) das Führen der Kontrollen;
b) den Vollzug von Strafen und Bussen, soweit er der Bezirksanwaltschaft obliegt;
c) die Bibliothek;
d) das Rapportwesen;
e) das Archivieren der Akten;
f) das Kassawesen.
Die Justizdirektion ist befugt, die nötigen Ausführungsvorschriften zu erlassen.
IV. Die Auditoren
§ 13. Als Auditoren können bei einer Bezirksanwaltschaft Schweizerbürger zugelassen werden, welche die juristischen Studien abgeschlossen haben oder kurz vor deren Abschluss stehen und sich zu einem Praktikum von mindestens drei Monaten verpflichten.
Das Aufnahmegesuch ist mit einem Lebenslauf, allfälligen Studienausweisen und Zeugnissen über die bisherige Tätigkeit dem Geschäftsleiter der Bezirksanwaltschaft einzureichen. Der I. Staatsanwalt entscheidet auf Antrag des Geschäftsleiters unter Mitteilung an die Justizdirektion über die Zulassung.
§ 14. Der Geschäftsleiter teilt den Auditor einem Bezirksanwalt zu, der sich zu dessen Aufnahme bereit erklärt hat. Der Bezirksanwalt weist dem Auditor Arbeiten zu, welche der Untersuchungsbeamte nicht persönlich zu besorgen hat, und beaufsichtigt die Ausführung seiner Aufträge.
Der Auditor hat die ordentliche Arbeitszeit einzuhalten. Er ist wie ein Bezirksanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet.
§ 15. Der I. Staatsanwalt und, nach mindestens dreimonatiger Tätigkeit, der Auditor können das Auditorat jederzeit auf das Ende der folgenden Kalenderwoche beendigen. Die sofortige Wegweisung des Auditors seitens des I. Staatsanwaltes bei pflichtwidrigem Verhalten oder bei mangelnder Eignung bleibt vorbehalten. Die Justizdirektion ist über die Beendigung des Auditorates zu orientieren.
Der Auditor erhält ein Zeugnis des Geschäftsleiters über die Dauer des Auditorates. Auf seinen Wunsch sind darin Arbeit und Verhalten zu beurteilen.
§ 16. Die Justizdirektion kann tüchtigen Auditoren, deren Arbeit für die Bezirksanwaltschaft eine wesentliche und notwendige Entlastung bedeutet, eine Entschädigung ausrichten.
V. Schlussbestimmung
§ 17. Die Verordnung tritt am 1. Juli 1956 in Kraft.
Auf diesen Zeitpunkt werden aufgehoben:
a) die Verordnung betreffend die Organisation der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 11. Januar 1912,
b) die Verordnung über die Ausbildung der Bezirksanwälte vom 22. Juli 1922,
c) das Reglement über die Beschäftigung von Auditoren bei den Bezirksanwaltschaften vom 21. Januar 1937,
sowie alle auf diese Vorschriften sich stützenden Weisungen, soweit sie der neuen Verordnung widersprechen.
___________
FN1 OS 40, 91 und GS II, 169.
FN2 177.111.
FN3 321.
FN4 Heute §§ 82, 83 und 86 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (211.1).