Verordnung
des Obergerichtes über die Gerichtsarchive und die Aufbewahrung von Handprotokollen und Tonaufnahmen
(vom 18.Dezember 1985) FN1

I. Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Die Gerichtsarchive sind dazu bestimmt,

a) die weitere Benützung der Akten durch Gerichtsstellen sowie Verfahrensbeteiligte und zur Einsicht berechtigte Amtsstellen und Dritte zu gewährleisten,

b) eine dauerhafte dokumentarische Überlieferung nach Massgabe der Verordnung über das Staatsarchiv sicherzustellen.

§ 2. Jedes Gericht sorgt für eine zweckdienliche Aufbewahrung seiner Akten.

§ 3. Das Kassationsgericht und die dem Obergericht angegliederten Gerichte und Kommissionen können die Akten zur Aufbewahrung dem Obergerichtsarchiv übergeben.

Das Obergerichtsarchiv übernimmt ferner die Aufbewahrung der ihm übergebenen Akten von Schiedsgerichten mit Sitz im Kanton Zürich.

§ 4. Die Akten des Arbeitsgerichts, des Mietgerichts und der Schlichtungsstelle in Mietsachen werden im Bezirksgerichtsarchiv aufbewahrt.

§ 5. Die Friedensrichterämter, die Betreibungs- und Gemeindeammannämter liefern ihre Akten jeweils drei Jahre nach der Geschäftserledigung zur weiteren Aufbewahrung entweder dem Bezirksgerichtsarchiv oder dem Gemeindearchiv ab.

§ 6. Verantwortlich für die ordnungsgemässe Aufbewahrung und Verwaltung der Akten im Gerichtsarchiv ist der Gerichtsschreiber. Wo ein Archivar bestellt ist, trägt dieser die Verantwortung.

§ 7. Werden Akten zur Aufbewahrung dem Gemeindearchiv übergeben, hat das zuständige Bezirksgericht die Gemeindebehörde auf die nachfolgenden Bestimmungen über Aufbewahrungsdauer, Akteneinsicht, Aktenherausgabe, Sperrfrist und Aktenvernichtung hinzuweisen.

II. Grundsätze der Archivierung

§ 8. Die Akten sind in verschliessbaren Räumen aufzubewahren und vor schädlichen Einwirkungen (Feuer, Staub, Feuchtigkeit, Sonnenbestrahlung) zu schützen.

§ 9. Sie sind nach Gerichtsstelle, Verfahrensart und Erledigungsdatum zu ordnen.

Die Behältnisse (Schränke, Mappen, Schachteln) sind aussen gut lesbar zu beschriften.

§ 10. Akten, die von dauernder Bedeutung sein können und für die spätere Ablieferung an das Staatsarchiv in Frage kommen, sind auf Anordnung des Gerichtspräsidenten bzw. des Friedensrichters, Gemeindeammannes oder Betreibungsbeamten bereits bei der Einreihung entsprechend zu kennzeichnen.

III. Akteneinsicht und Aktenherausgabe

§ 11. Bei Gesuchen um Aktenherausgabe und Akteneinsicht ist zu prüfen, ob der Gesuchsteller zur Akteneinsicht berechtigt ist.

Bei Gesuchen Dritter ist die Verordnung über die Akteneinsicht durch Gerichtsberichterstatter und andere Dritte zu beachten. Zuständig zum Entscheid über solche Gesuche ist der Gerichtspräsident.

Die dem Obergerichtsarchiv übergebenen Akten der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte dürfen aussenstehenden Personen, einschliesslich Gerichts- und Amtsstellen, nur auf Grund eines schriftlichen Beschlusses der Kommission zugänglich gemacht werden.

§ 12. Akten dürfen nur an Gerichte und Amtsstellen, bevollmächtigte praktizierende Rechtsanwälte, vom Gericht bestellte Gutachter und vom Gericht mit der Durchführung eines Verfahrens Beauftragte (z. B. Sachwalter) herausgegeben werden. Andern Berechtigten werden die Akten in der Gerichtskanzlei zur Einsicht vorgelegt. Der Gerichtspräsident kann Ausnahmen bewilligen.

§ 13. Bei der Aktenherausgabe ist nach folgenden Richtlinien vorzugehen:

- Asgehende Akten sind unter deutlichem Hinweis auf die Ausgabestelle als Archivakten zu kennzeichnen.

- Über Aus- und Wiedereingang der Akten ist eine schriftliche Kontrolle zu führen.

- Bei jeder Aktenherausgabe ist eine Empfangsbescheinigung zu verlangen, aus der Zweck und voraussichtliche Dauer des Gebrauchs ersichtlich sind.

- An die Stelle der herausgegebenen Akten ist ein Doppel der Empfangsbescheinigung oder ein schriftlicher Vermerk zu legen, auf dem der Entlehner sowie Zweck und Datum der Ausgabe ersichtlich sind.

IV. Aufbewahrungsdauer Gerichtsakten

§ 14. Die Akten sind dreissig Jahre aufzubewahren, soweit die nachstehenden Vorschriften nicht eine andere Regelung vorsehen.

§ 15. Fünfzig Jahre sind aufzubewahren:

- Spruchbücher

- Akten der Einzelrichter in Erbschaftssachen.

§ 16. Fünfzehn Jahre sind aufzubewahren:

- Akten der Einzelrichter im ordentlichen Verfahren in Zivilsachen, im beschleunigten und im summarischen Verfahren

- Akten des Rechnungswesens

- Kanzleibücher

Akten der Friedensrichterämter

§ 17. Die Akten der Friedensrichter sind fünfzehn Jahre aufzubewahren.

Akten der Betreibungsämter

§ 18. Die Aufbewahrungsdauer der Akten der Betreibungsämter richtet sich nach der Verordnung des Bundesgerichts über die Aufbewahrung der Betreibungs- und Konkursakten.

Akten der Gemeinde- und Stadtammannämter

§ 19. Dreissig Jahre sind aufzubewahren:

- die Beglaubigungsregister, Unterschriftenbücher zum Beglaubigungsregister, Register der ausgestellten Zeugnisse, Protokolle über amtliche Befunde, Geschäftskontrollen über gemeindeammann-amtliche Geschäfte.

Die übrigen Akten sind fünfzehn Jahre aufzubewahren.

V. Ablieferung an das Staatsarchiv, Sperrfrist und Beseitigung der Akten

§ 20. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind Akten, die im Sinne von § 1 lit. a der Verordnung über das Staatsarchiv FN2 von dauernder Bedeutung sind, dem Staatsarchiv abzuliefern. Spruchbücher können auch nach Ablauf dieser Frist im Gerichtsarchiv belassen werden.

§ 21. Die aus den Gerichts- und Gemeindearchiven dem Staatsarchiv übergebenen Prozessakten und Spruchbücher sind während 70 Jahren, vom Zeitpunkt ihrer Anlage an gerechnet, für Dritte nicht zugänglich. Ausnahmebewilligungen erteilen die Präsidenten der abliefernden Gerichtsstellen. Für die übrigen Akten gilt die Sperrfrist gemäss § 7 der Verordnung über das Staatsarchiv FN2.

§ 22. Dem Staatsarchiv ist ferner von allen eigenen Veröffentlichungen (Rechenschaftsberichte, Festschriften, Dokumentationen usw. in gedruckter oder vervielfältigter Form) nach Erscheinen ein Exemplar zuzustellen.

§ 23. Für den Transport der Akten in das Staatsarchiv sorgt die abliefernde Stelle. Im einzelnen sind die Bestimmungen der Verordnung über das Staatsarchiv zu beachten.

§ 24. Die übrigen Akten sind nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu vernichten. Dabei ist darauf zu achten, dass ein Missbrauch der Akten ausgeschlossen ist.

§ 25. Die Ablieferung an das Staatsarchiv und die Vernichtung der Akten ist durch den Gerichtspräsidenten anzuordnen.

VI. Aufbewahrung von Handprotokollen und Tonau fnahmen

§ 26. Handprotokollhefte, die für Protokollarbeiten in pendenten Prozessen nicht mehr benützt werden, sind jährlich mindestens einmal geordnet dem Archiv abzuliefern.

§ 27. Handprotokollhefte sind spätestens bei der Ablieferung auf der Umschlagseite mit dem Namen des Protokollführers, den Angaben über Beginn und Ende der Protokolleintragungen und der näheren Bezeichnung der Gerichtsstelle, für welche das Protokoll geführt wurde, zu versehen.

§ 28. Handprotokollhefte sind vom Datum der letzten Eintragung an zehn Jahre aufzubewahren. Nach Ablauf dieser Frist sind sie zu vernichten.

§ 29. Tonau fnahmen von Verhandlungen sind bis zur letztinstanzlichen Erledigung des Verfahrens aufzubewahren.

In Fällen, in denen auf Ausfertigung des Protokolls verzichtet wird, dürfen sie frühestens ein Jahr nach Abschluss des Verfahrens bei der betreffenden Instanz gelöscht werden.

Der die Verhandlung leitende Richter kann im Einzelfall eine abweichende Anweisung erteilen. Die Bewilligung zur Löschung erteilt der Gerichtsschreiber bzw. der Kanzleivorstand.

VII. Aufzeichnung von aufzubewahrenden Akten

§ 30. Die Verwaltungskommission des Obergerichtes kann bewilligen, die aufzubewahrenden Akten auf Bild- oder Datenträger aufzuzeichnen und die Originalakten hierauf zu vernichten.

VIII. Schlussbestimmungen

§ 31. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1986 in Kraft.

Sie ersetzt: . . . FN3

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FN1 OS 49, 527.
FN2 432.11.
FN3 Text siehe OS 49, 527.